Der Teufel trägt Prada
Gedanken …«
»Mensch, Jill, Mensch, Kyle. Das ist ja super. Höchste Zeit, dass ich endlich Tante werde. Wann ist es denn so weit?«
Sie sahen aus wie vor den Kopf geschlagen, und einen Augenblick
lang dachte ich, wir hätten uns alle geirrt, und sie wollten uns bloß erzählen, dass sie ein neues Haus bauen würden oder dass Kyle endlich aus der Kanzlei seines Vaters ausgetreten war, um mit Jill die Galerie aufzumachen, von der sie schon so lange träumte. Vielleicht waren wir alle ein bisschen voreilig gewesen, zu sehr darauf erpicht, endlich zu hören, dass eine kleine Nichte oder ein Enkelsöhnchen unterwegs war. Meine Eltern redeten in letzter Zeit über nichts anderes mehr als darüber, warum meine Schwester und Kyle, die immerhin schon seit über drei Jahren verheiratet waren, noch immer keinen Nachwuchs produziert hatten. In den letzten sechs Monaten hatte sich diese Frage vom Lieblingsthema der Familie zum Krisengespräch gesteigert.
Meine Schwester senkte den Blick, Kyle runzelte die Stirn. Meine Eltern sahen aus, als ob sie jeden Moment in Ohnmacht fallen würden. Die Spannung war mit Händen zu greifen.
Jill stand auf, ging zu Kyle hinüber und setzte sich auf seinen Schoß. Sie legte ihm den Arm in den Nacken, lehnte sich nach hinten und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich warf einen Blick auf meine Mutter, die ihrer Sinne kaum noch mächtig war.
Plötzlich kicherte das »alte Ehepaar«, drehte sich zu uns um und verkündete: »Wir bekommen ein Kind.« Und es ward Licht. Umarmungen! Freudengeschrei! Noch mehr Umarmungen! Meine Mutter sprang so schnell auf, dass ihr Stuhl umkippte und den Kaktus umschmiss, der neben der Schiebetür stand. Mein Dad stürzte sich regelrecht auf Jill, um sie links und rechts abzuküssen, und zum ersten Mal seit der Hochzeit bekam auch Kyle einen Schmatzer ab.
Ich trommelte mit der Plastikgabel an meine Limodose und ließ einen Trinkspruch vom Stapel. »Bitte erhebt eure Gläser. Ein Hoch auf das Baby, das wir demnächst im Kreise der Familie Sachs begrüßen dürfen.« Kyle und Jill schienen nicht sehr begeistert. »Okay, okay, technisch gesehen wird es ein Harrison-Baby, aber im Herzen wird es ein Sachs sein. Auf Kyle und Jill,
die zukünftigen perfekten Eltern des perfektesten Kindes der Welt.« Wir stießen mit allem an, was wir hatten, ob Coladosen oder Kaffeebecher, wir tranken auf das strahlende Paar und auf Jills Bäuchlein. Während ich den Tisch abräumte, indem ich Essensreste, Geschirr und Besteck einfach samt Papiertischdecke in den Mülleimer beförderte, versuchte meine Mutter, Jill zu überreden, das Kind nach verschiedenen längst verblichenen Verwandten zu nennen. Kyle schlürfte zufrieden seinen Kaffee und genoss den Trubel. Kurz vor Mitternacht schlichen Dad und ich hinaus, um uns in seiner Praxis eine Partie Scrabble zu genehmigen.
Wie jeder gute Psychologe hatte auch mein Dad eine Couch, ein graues Ledersofa in der hintersten Ecke der Praxis, so weich, dass ich gern ab und zu ein Nickerchen darauf machte. In den drei tiefen Sesseln konnten sich die Patienten so geborgen wie im Mutterleib fühlen. Hinter dem modernen, schwarzen Schreibtisch, auf dem ein Flachbildschirm thronte, stand ein bequemer schwarzer Lederstuhl mit einer hohen Rückenlehne. Eine Bücherwand mit psychologischer Fachliteratur, eine Hand voll Bambusstängel in einer hohen Bodenvase aus Kristall und ein paar gerahmte Drucke – die einzigen Farbtupfer im Raum – vervollständigten den futuristischen Look. Ich hockte mich auf den Fußboden, und Dad gesellte sich zu mir.
»Jetzt erzähl doch mal, wie es dir wirklich geht, Andy«, sagte er, während er mir das Bänkchen für die Spielsteine reichte. »Das muss ja alles ziemlich aufregend für dich sein.«
Ich zog sieben Buchstaben und stellte sie nachdenklich vor mir auf. »Ja, die letzten beiden Wochen waren wirklich der Wahnsinn. Erst der Umzug, dann der neue Job. Es ist schon ein seltsamer Laden, schwer zu beschreiben. Alle sind so schön und so dünn und so schick. Aber sie machen einen netten Eindruck. Bis jetzt war noch jeder freundlich zu mir. Fast schon zu freundlich, als ob sie unter Medikamenten stehen. Ich weiß auch nicht …«
»Ja? Was wolltest du sagen?«
»Ich komm nicht drauf, was es ist. Es ist ein Gefühl, als ob das Ganze nur ein Kartenhaus ist, das jeden Augenblick über mir zusammenkrachen kann. Und ich kann mir nicht helfen, es kommt mir immer noch lächerlich vor, dass ich ausgerechnet bei einer
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