Der Teufel trägt Prada
mein Pech, dass Julia bei einem anspruchsvollen Buchverlag arbeitete, wo jeder noch so unbekannte Autor eher einen Promi-Bonus bekommen hätte als eine Frau, die für ihren untadeligen Geschmack in Sachen Pelz bekannt war. Doch im Grunde hatte ich Verständnis dafür. Auch bei mir war es schließlich erst fünf Wochen her, dass ich den Namen Miranda Priestly zum ersten Mal gehört hatte. Ich beneidete Julia um ihre selige Unschuld – bei der Erledigung meines Jobs war sie mir allerdings keine große Hilfe.
Morgen, am Samstag, sollte der neueste Band der Harry-Potter-Reihe herauskommen, und Mirandas zehnjährige Zwillingstöchter wünschten sich jede ihr eigenes Exemplar. Käuflich zu erwerben waren die Bücher erst ab Montag, aber ich brauchte sie schon am Samstagmorgen – direkt nachdem sie an die Buchhandlungen ausgeliefert worden waren. Schließlich mussten Harry und seine Zauberfreunde einen Privatflieger nach Paris erwischen.
Das Klingeln des Telefons riss mich aus meinen trüben Gedanken. Ich nahm ab. Inzwischen vertraute Emily mir so weit, dass sie mich tatsächlich selbst mit Miranda reden ließ. Und wie wir redeten – wahrscheinlich zwei Dutzend Mal am Tag. Selbst aus der Ferne war es dieser Frau gelungen, sich in mein Leben einzuschleichen und es völlig zu beherrschen. Von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends, wenn ich endlich Feierabend hatte, bombardierte sie mich mit Anweisungen, pflasterte mich mit Befehlen zu und deckte mich mit ihren heruntergeratterten Fragen und Wünschen ein.
»Aan-dreh-aa? Hallo? Ist da jemand? Aan-dreh-aa?« Wie eine Rakete schoss ich von meinem Stuhl in die Höhe. Es dauerte einen Augenblick, bis es bei mir klick machte und mir wieder einfiel, dass sie gar nicht im Büro war – ja, nicht einmal im Lande. Vorläufig würde sie mich nicht persönlich behelligen.
»Ich begreife einfach nicht, warum es immer so lange dauert, bis Sie sich melden«, sagte Miranda. Bei jedem anderen Menschen hätte es sich nach einem nörgelnden Vorwurf angehört, aber bei ihr klang es kühl und entschlossen. Genau wie sie. »Falls es nach all diesen Wochen immer noch nicht zu Ihnen durchgedrungen sein sollte: Wenn ich anrufe, melden Sie sich. Es ist nicht weiter schwierig. Ich rufe an, Sie melden sich. Oder sind Sie damit überfordert, Aan-dreh-aa?«
Obwohl sie mich gar nicht sehen konnte, nickte ich wie eine bedröppelte Sechsjährige, die gerade Schimpfe bekommen hat, weil sie ihre Spaghetti an die Wand geschmissen hat. Ich konzentrierte mich darauf, sie nicht mit »Ma’am« anzusprechen, ein Fehler, der mich vor einer Woche um ein Haar den Job gekostet hatte. »Nein, Miranda. Es tut mir Leid«, säuselte ich mit eingezogenem Kopf. In diesem Augenblick tat es mit tatsächlich Leid, dass ich ihre Stimme nicht eine Dreizehntelsekunde schneller erkannt hatte, dass ich nicht wie aus der Pistole geschossen »Büro Miranda Priestly« geantwortet hatte. Ihre Zeit war schließlich sehr viel kostbarer als meine.
»Gut, gut. Kommen wir endlich zur Sache. Haben Sie den Tisch für Mr. Tomlinson schon reserviert?
»Ja, Miranda. Um ein Uhr im Four Seasons.«
Ich sah es auf eine Meile kommen. Nachdem sie mir erst vor zehn Minuten aufgetragen hatte, im Four Seasons einen Tisch zu reservieren und Mr. Tomlinson, den Chauffeur und das Kindermädchen telefonisch über diesen Plan zu informieren, würde sie nun alles wieder über den Haufen schmeißen wollen.
»Ich habe es mir inzwischen anders überlegt. Das Four Seasons ist nicht der geeignete Rahmen für seinen Lunch mit Irv. Reservieren Sie einen Tisch für zwei Personen im Le Cirque, und vergessen Sie nicht, den Oberkellner daran zu erinnern, dass sie im hinteren Teil des Restaurants sitzen möchten. Nicht vorne, wo man sie sehen kann, sondern hinten. Das wäre alles.«
Bei meinen ersten Telefongesprächen mit Miranda hatte ich mir noch eingeredet, dass sie mit ihrem abschließenden »Das wäre alles« in Wahrheit »danke« meinte. Aber diese Illusion hielt nur bis zur zweiten Woche.
»Selbstverständlich, Miranda. Danke«, sagte ich lächelnd. Ich spürte, dass sie zögerte. Ob sie meinen kleinen Seitenhieb bemerkt hatte? Ob es ihr seltsam vorkam, dass ich mich dafür bedankte, herumkommandiert zu werden? In der letzten Zeit hatte ich mir angewöhnt, ihr für jede sarkastische Bemerkung und jeden unverschämten Telefonbefehl zu danken, eine Taktik, die mich sehr befriedigte. Sie ahnte sicher, dass ich mich über sie lustig machte, aber was
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