Der Teufel trägt Prada
Empfangsanzeige des Handys gerichtet. Lilly nippte an einer Bloody Mary. Igitt. Wie konnte sie nur an einem Sonntagmorgen Schnaps trinken?
»Na, hast du mal wieder eine Miranda-Krise?«, fragte sie mitfühlend.
Ich nickte. »Ich glaube, diesmal habe ich wirklich einen totalen Bock geschossen«, sagte ich und setzte mich zu ihr. »Kann sein, dass sie mich achtkantig rausschmeißt.«
»Ach, Mensch, das sagst du doch immer. Sie schmeißt dich schon nicht raus. Sie hat deine Arbeit doch noch nicht mal persönlich kennen gelernt. Das wäre ja noch schöner, wenn sie dir kündigt. Du hast schließlich den tollsten Job der Welt!«
Ich sah sie skeptisch an und zwang mich, ruhig zu bleiben.
»Na, stimmt doch«, sagte sie. »Okay, deine Miranda scheint ein bisschen schwierig und verrückt zu sein. Aber wer ist das nicht? Dafür kannst du haufenweise Schuhe, Kosmetik und Haarschnitte und Klamotten abstauben. Allein die Klamotten! Welcher Mensch kriegt schon kostenlos die schärfsten Designerklamotten hinterhergeschmissen, nur dafür, dass er jeden Tag zur Arbeit kommt? Andy, du arbeitest bei Runway ! Kapierst du das
nicht? Du hast einen Job, für den andere junge Frauen zum Killer werden würden.«
Und ob ich kapierte. Mir ging regelrecht ein Licht auf: Lily verstand mich nicht, zum ersten Mal, seit wir uns kannten. Ge nau wie alle anderen Freunde und Bekannten stand sie auf meine verrückten Runway -Storys, Klatsch und Tratsch aus der Welt der Schönen und Reichen, aber sie begriff nicht, wie hart jeder einzelne Tag in dieser Tretmühle für mich war. Sie verstand nicht, warum ich meine müden Knochen tagaus, tagein ins Büro schleppte. Nicht wegen der kostenlosen Klamotten. Wenn es mir nur um die tollen Sachen gegangen wäre, die bei Runway für mich abfielen, hätte ich die Plackerei nie und nimmer ausgehalten. Es wurde Zeit, meiner besten Freundin die Augen zu öffnen. Sie musste erkennen, in was für eine Welt es mich verschlagen hatte. Sonst würde sie mich nie verstehen. Ja, sie sollte wissen, wie es dort wirklich zuging. Ich brauchte eine Verbündete, die ganz auf meiner Seite stand. Als ich gerade anfangen wollte, ihr alles zu erklären, klingelte das Handy.
Verdammt! Am liebsten hätte ich Kleinholz aus dem Ding gemacht und dem Anrufer gesagt, er solle sich zum Teufel scheren. Aber womöglich war es der Rückruf von diesem Jonathan. Lily lächelte nachsichtig und sagte, ich solle ruhig rangehen.
»Andrea?«, fragte eine Männerstimme.
»Ja. Jonathan?«
»Jawohl. Ich habe gerade mit der Fernabfrage meinen Anrufbeantworter abgehört und Ihre Nachricht bekommen. Ich bin im Moment auf dem Rückflug von Paris nach New York, genauer gesagt, irgendwo über dem Atlantik, aber Sie klangen so besorgt, dass ich Sie doch lieber sofort zurückrufen wollte.«
»Ich danke Ihnen! Vielen, vielen Dank. Sie sind ein Engel. Ja, ich bin tatsächlich ein wenig beunruhigt. Ich hatte heute Morgen einen Anruf von Miranda. Sie sagte, dass sie das Päckchen noch nicht bekommen habe. Sie haben es doch in Paris weitergegeben?«
»Selbstverständlich. Wissen Sie, in meinem Beruf stellt man nicht viele Fragen. Aber dass ich extra quer über den Atlantik fliege, um ein Päckchen abzuliefern, kommt nicht alle Tage vor. Es wird wahrscheinlich etwas ungeheuer Wichtiges gewesen sein. Ein Transplantationsorgan vielleicht oder geheime Dokumente. Deshalb habe ich besonders gut auf die Lieferung aufgepasst und sie dem Fahrer vom Ritz persönlich ausgehändigt. So lauteten meine Anweisungen. Es gab keine Probleme.«
Ich dankte ihm. Die Rezeption des Ritz hatte Harry Potter also, wie vereinbart, vom Flughafen ins Hotel chauffieren lassen. Wenn alles nach Plan gegangen wäre, hätte Miranda die Bücher um sieben Uhr morgens Ortszeit haben müssen. Inzwischen war es in Frankreich schon später Nachmittag, und ich hatte einfach keine Erklärung für die Panne. Mir blieb nichts anderes übrig, als im Ritz anzurufen, und da ich mit meinem Handy keine Auslandsgespräche führen konnte, musste ich mir ein anderes Telefon suchen.
Ich kippte die kalt gewordenen Waffeln in den Müll, verabschiedete mich von Lily, die sich auf die Couch geknallt hatte und schon halb weggedöst war, und sagte ihr, ich würde mich später wieder bei ihr melden.
»Und was ist mit heute?«, sagte sie. »Ich habe schon das nächste Video drin. Ich brauche nur noch aufs Knöpfchen zu drücken. Du darfst nicht gehen – unser Wochenende ist noch lange nicht vorbei.«
»Ich
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