Der Teufel trägt Prada
Handy, und schon fing sie an, sich mit irgendjemandem auf Russisch zu unterhalten. Danke, danke, danke, lieber Gott. Es war nicht Miranda! Aber damit war ich noch lange
nicht aus dem Schneider. Es war Sonntagmorgen, und ich hatte keine Ahnung, ob die blöden Potter-Schinken tatsächlich in Paris gelandet waren. Ich war so sehr damit beschäftigt gewesen, mein freies Wochenende auszukosten, dass ich ganz vergessen hatte, mich von ihrer heilen Ankunft zu überzeugen. Natürlich war mein Handy eingeschaltet und zwar auf volle Lautstärke. Aber was hätte es schon genützt, wenn mich einer meiner Spießgesellen angerufen hätte, weil irgendein Teil meines ausgeklügelten Plans nicht geklappt hatte? Es wäre sowieso zu spät gewesen, noch etwas zu unternehmen. Nein, ich hätte vorbeugend aktiv werden und mich bei jedem einzelnen Beteiligten erkundigen müssen, ob alles glatt gegangen war.
Ich stürzte mich auf meine Reisetasche und wühlte nach meinem Runway -Handy, das sich ganz unten in einem Knäuel Unterwäsche versteckte. Ich grub es aus und ließ mich erleichtert aufs Bett sinken. Doch sofort informierte mich das kleine Display, dass ich hier keinen Empfang hatte, und mein Instinkt sagte mir, dass Miranda angerufen und nur die Mailbox bekommen hatte. Am liebsten hätte ich das Handy an die Wand gepfeffert. Und mein tolles Bang & Olufsen gleich hinterher. Und Lilys. Ich hasste Telefone, alle Telefone, ich hasste sogar Alexander Graham Bell, weil er das blöde Ding erfunden hatte. Die Arbeit für Miranda Priestly hatte so manche Nebenwirkungen, aber die Schlimmste und Perverseste davon war mein alles verzehrender Hass auf Telefone.
Die meisten Leute freuen sich, wenn das Telefon klingelt. Jemand versucht, sie zu erreichen, hallo zu sagen, sich nach ihrem Befinden zu erkundigen oder Pläne zu schmieden. Mir dagegen blieb jedes Mal das Herz stehen. Bei mir löste das Klingeln Angst, Nervenflattern und Panik aus. Und während ich die vielen Extradienste, die man heutzutage als Telefonkunde abonnieren kann, früher als Schnickschnack oder als witzige Abwechslung empfand, waren sie nun nichts anderes als eine Lebensnotwendigkeit. Vor der Zeit bei Miranda besaß ich nicht
einmal eine Anklopffunktion, doch kaum war die Tinte unter dem Runway -Vertrag trocken, hatte ich alles: eine Anklopffunktion (damit sie nie ein Besetztzeichen bekam), eine Anruferidentifizierung (damit ich ihr ausweichen konnte), eine Anklopffunktion mit Anruferidentifizierung (damit ich ihr ausweichen konnte, während ich auf der anderen Leitung sprach) und eine Mailbox (damit sie nicht merkte, dass ich ihr auswich, weil sie ja immerhin noch meine Ansage vom Band hören konnte). Der Spaß kostete mich 50 Dollar im Monat, aber das war mir mein Seelenfrieden wert. Oder sagen wir lieber: Das zahlte ich gern, um vorgewarnt zu sein.
Beim Handy musste ich auf diese praktische Lebenshilfe leider verzichten. Sicher, es hatte genau die gleichen Funktionen wie mein Festnetzapparat, aber für Miranda gab es einfach keinen Grund, warum es nicht dauernd eingeschaltet sein sollte. Ich hatte immer erreichbar zu sein. Die zaghaften Einwände, die ich erhob, als Emily mir das Handy aushändigte, das zur Standardausrüstung jedes Runway -Mitarbeiters gehörte, und mir dabei eintrichterte, auch ja jedes Gespräch anzunehmen, wurden locker vom Tisch gewischt.
»Und wenn man gerade schläft?«, fragte ich zum Beispiel.
»Dann stehst du auf und nimmst das Gespräch an«, antwortete sie, während sie an einem gesplitterten Fingernagel herumfeilte.
»Und wenn man in einem superschicken Restaurant sitzt?«
»Machst du es wie jeder andere New Yorker und telefonierst beim Essen.«
»Und wenn ich beim Frauenarzt bin?«
»Der wird ja wohl nicht deine Ohren untersuchen, oder?« Schon gut, schon gut, ich hatte verstanden.
Ich hasste das verdammte Handy, aber ich konnte es nicht ignorieren. Es fesselte mich an Miranda wie eine Nabelschnur. Sie rief dauernd, ständig, immer an. Wenn das blöde Ding klingelte, reagierte ich schon wie ein Pawlowscher Hund. Klingeling –
der Herzschlag beschleunigte sich. Klingeling, klingeling – die Hände ballten sich zu Fäusten, die Schultern verspannten sich. Klingeling, KLINGELING : (Ach, warum kann sie mich nicht in Frieden lassen? Bitte, sie soll vergessen, dass es mich gibt) - mir stand der Schweiß auf der Stirn. Das ganze herrliche, gammelige Wochenende über war ich nicht ein einziges Mal auf die Idee gekommen, dass ich womöglich
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