Der Teufel und die Lady
Stallungen vorbeikam, warf sie einen neugierigen Blick hinein. Sie sah Reihe um Reihe an Pferdeboxen, die die ganze Länge des Gebäudes ausfüllten. Evelinde sah auf den ersten Blick, dass dieser Stall ebenso ordentlich geführt wurde, wie Mac den Stall von d’Aumesbery überwachte.
Ihre Stute Lady wäre hier gut versorgt worden, dachte sie und verdrängte den Gedanken dann rasch. Sie wollte ihrem Gemahl nicht zornig gegenübertreten, denn dadurch löste man meist nur Verärgerung beim anderen aus. Es war immer besser, eine solche Sache besonnen und gelassen anzugehen.
Evelinde hatte keine Zweifel daran, dass ihr Gatte derzeit bester Laune war. Auch sie war nach ihrer Besiegelung der Ehe frohgemut gewesen, zumindest bis all diese kleinen Schwierigkeiten aufgetaucht waren – wie zum Beispiel die Tatsache, dass sie mit absolut nichts dastand.
Cullen würde sich über solcherlei Dinge selbstverständlich nicht den Kopf zerbrochen haben, und da er auch noch feierte, würde er nach wie vor gehobener Stimmung sein, sagte sich Evelinde. Genau der richtige Zeitpunkt also, um ihn danach zu fragen, was er von ihr als seiner Gemahlin erwartete. Zumindest redete Evelinde sich dies ein. Und dies war sicherlich nicht falsch, wenngleich dieses Gespräch in Wahrheit auch bis nach dem Nachtmahl Zeit gehabt hätte. Doch Evelinde war erpicht darauf, Cullen zu sehen, und sie war sich sicher, dass es ihm genauso ging. Zweifellos würde er sie anlächeln, seine Arme öffnen, sie an sich drücken und dann küssen, bis sie ganz außer Atem war, und schließlich …
Evelinde tauchte aus ihrem Tagtraum auf, als sie jemanden laut auflachen hörte. Wie erwartet, hörte sie die Männer, noch bevor sie sie erspähte. Sie blieb stehen und erblickte eine Reihe von Koppeln, die sich an der Ringmauer entlangzogen. Die erste war leer, und Evelinde trat näher an den Holzzaun heran, der die Weide umschloss, und lehnte sich gegen einen Pfosten. Von dort aus konnte sie über einen kleinen Streifen Weideland hinweg die Krieger sehen, die sich entlang der Umzäunung des nächsten Geheges versammelt hatten, um das Geschehen auf der Koppel zu beobachten.
Evelinde ließ den Blick auf der Suche nach ihrem Gemahl über die Männer gleiten, als erneut brüllendes Gelächter erschallte. Neugierig wandte sie ihre Aufmerksamkeit der Weide zu. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als sie erkannte, dass die Männer den »armen alten Angus« bereits zur Genüge getriezt oder aber auf diesen Spaß gänzlich verzichtet hatten, um stattdessen ein ungesatteltes wildes Pferd zu reiten. Wahrlich, das Tier machte den Eindruck, als habe es den Verstand verloren. Es buckelte, wehrte sich gegen seinen Reiter, machte Sätze hierhin und dorthin und tat alles, was es nur konnte, um den Mann loszuwerden, der sich auf seinem Rücken festklammerte.
Evelinde war gerade zu dem Schluss gekommen, dass der Mann auf dem Rücken des Pferdes ebenso verrückt wie das Tier sein musste, als dieses herumwirbelte und sie erkannte, dass der Reiter ihr Gemahl war.
Einen Augenblick lang stand Evelinde einfach nur da, klammerte sich an den Zaunpfosten und starrte mit vor Bestürzung offenem Mund auf die Szene. In ihrem Kopf flackerten Bilder auf, auf denen ihr Gemahl von dem Untier abgeworfen und zu Tode getrampelt wurde. Von dem Gedanken, gerade erst die Freuden des Ehelebens gekostet zu haben und jetzt schon zur Witwe gemacht zu werden, wurde ihr fast schwarz vor Augen. Und dann flog Cullen tatsächlich in hohem Bogen durch die Luft wie ein nasser Sack.
Entsetzt schrie Evelinde auf und erklomm den Zaun, entschlossen, so schnell wie möglich zu ihrem Gemahl zu gelangen. Ihr Kleid jedoch war anderer Ansicht und verhakte sich am Holz. Evelinde zog ungeduldig daran, wobei sie beinahe kopfüber auf die Koppel gestürzt wäre. Sie hörte das Reißen von Stoff, und dann war sie frei und landete auf dem Bauch.
Der Aufprall ließ sie aufstöhnen, doch sofort rappelte sie sich wieder hoch, raffte den viel zu weiten Rock und eilte über die Wiese.
Trotz des Lärms, den die Männer veranstalteten, hatten manche von ihnen Evelinde offenbar Cullens Namen rufen hören, denn ein paar drehten die Köpfe und beobachteten, wie Evelinde über die Koppel hastete. Als sie den Schreck auf ihren Gesichtern sah, legte sich kalte Angst um ihr Herz. Evelinde hatte nicht gesehen, wie ihr Gemahl auf dem Boden aufschlug, aber als die Männer ihr etwas zuriefen, erkannte sie, dass der Sturz offenbar nicht gut
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