Der Teufel und die Lady
geblieben. Warum zur Hölle sie erleichtert ausgesehen hatte, ging Cullen nicht auf. Er war so weit entfernt von Evelinde gewesen, dass er ihr nur hatte zurufen können, sie solle laufen, um anschließend zum Zaun zu hasten und ihr herüberzuhelfen. Und was hatte das dumme Ding getan? Die Frau hatte gemütlich im Gras gestanden und sich umgedreht, so als befinde sie sich auf einer verdammten Festlichkeit, und war dann erst in Richtung Zaun gerannt.
Um die Wahrheit zu sagen, hatte die Geschwindigkeit, mit der sie den Zaun erreichte, Cullen ziemlich beeindruckt, doch das milderte nicht seinen Zorn. Gütiger Gott, der Schreck, den sie ihm mit diesem kleinen Abenteuer eingejagt hatte, hatte ihn bestimmt zehn Jahre seines Lebens gekostet … und Cullen war wahrlich nicht leicht zu erschrecken. Er konnte sogar aufrichtig von sich behaupten, dass er nie zuvor in seinem Leben wegen irgendeinem Menschen eine solche Angst durchlebt hatte – und er wollte es auch nie wieder tun.
»Ich …«, setzte Evelinde an.
»Was zum Teufel habt Ihr Euch gedacht?«, unterbrach Cullen sie erneut. Das Vieh hätte Evelinde um Haaresbreite zermalmt, und er selbst hatte sie praktisch im letzten Moment aus dem Gatter gehoben. Zudem war es nicht das erste Mal gewesen, dass sie sich selbst durch ihr törichtes Verhalten in Gefahr gebracht hatte, rief er sich ins Gedächtnis. Er dachte an ihren Ritt über die Wiese, die Zügel zwischen den Zähnen. Die Dame schien gern riskanten Vergnügungen zu frönen.
»Ich bin gekommen, um mit Euch zu reden«, stieß Evelinde rasch hervor, ehe Cullen ihr erneut die immer selbe Frage entgegenschleudern konnte.
»Mit mir?«, fragte er ungläubig.
»Aye, ich wollte mit Euch reden, und dann sah ich, wie Ihr von diesem verrückten Pferd geworfen wurdet«, erklärte Evelinde. »Ich fürchtete, Ihr wäret verletzt worden und würdet meine Hilfe brauchen. Um nicht um die Koppel herumlaufen zu müssen und so Zeit zu verschwenden, bin ich über den Zaun geklettert und quer über die Wiese gerannt. Ich dachte, sie sei leer«, fügte sie eilig hinzu.
»Leer?« ,wiederholte Cullen fassungslos. »Seid Ihr so blind, wie Ihr töricht seid? Wie habt Ihr den Bullen übersehen können?«
Evelinde aber starrte Cullen nur hilflos an; offenbar fiel ihr keine Antwort ein. Schließlich trat Fergus neben Cullen und legte diesem besänftigend eine Hand auf den Arm. »Die Koppel macht doch einen Bogen, Laird«, raunte Fergus ihm zu. »Womöglich ist Angus in dem Winkel gewesen, den sie nicht einsehen konnte.«
Angesichts dieser mahnenden Worte ließ Cullen die Schultern sinken. Der größte Zorn war ohnehin verraucht, sobald er erfahren hatte, dass Evelindes einfältiges Verhalten ihrer Sorge um ihn entsprungen war. Fergus’ leiser Tadel fegte die letzten Reste der glimmenden Wut hinfort. Er war ungemein glücklich darüber, dass seine Frau doch nicht geistesschwach war. Und noch glücklicher war er über den Umstand, dass sie sich um ihn gesorgt hatte. Obwohl Cullen nicht hätte sagen können, warum ihn das so glücklich machte … Vielleicht lag es daran, dass er sie mochte. Auch er hatte sich um sie gesorgt, als er sie zusammen mit Angus auf der Weide erspäht hatte. Um ehrlich zu sein, hatte er eine Höllenangst ausgestanden, nachdem er gesehen hatte, in welcher Gefahr sie sich befand.
Ein Räuspern ließ Cullen aufschauen. Als er zu Fergus hinüberblickte, wies dieser mit den Augen auf die übrigen Männer, die herumstanden und ihre neue Herrin begafften. Cullen warf ihnen einen düsteren Blick zu, packte Evelinde am Arm und schob sie über die Wiese auf den Pfad zu.
»Es tut mir leid, Mylord. Ich habe den Bullen wirklich nicht gesehen«, sagte Evelinde leise, während er sie den Weg entlang Richtung Burg führte.
In Höhe der Stallungen seufzte Cullen und sah Evelinde zum ersten Mal wirklich an, nun, da Angst und Wut in ihm abgeklungen waren. Er verzog missmutig den Mund. Ihr Haar war völlig zerzaust, und das Kleid, das sie trug, war vorne so weit, dass für jeden Betrachter ersichtlich war, was Evelinde an Rundungen zu bieten hatte beziehungsweise was nicht.
»Was zum Teufel habt Ihr da eigentlich an?«, fragte Cullen gereizt.
»Ich …« Evelinde sah an sich herab und keuchte, als sie sah, was geschehen war. Rasch griff sie den Stoff im Rücken des Gewands und zog ihn zusammen, sodass er über der Brust spannte und keine tieferen Einblicke mehr gewährte.
Mit mürrischer Miene betrachtete er das Kleid. Es kam ihm
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