Der Teufel von Garmisch
Schwemmer, der ihn fragend ansah. »Dräger schickt mir ein Foto.«
Der Moment zog sich, aber nach einer halben Minute piepste
Schafmanns Handy wieder, und er drückte ein paar Knöpfe. Das Foto von einer
aufgeklappten Illustrierten erschien auf dem Display.
»Die hat Dräger in dem Zeitschriftenstapel neben dem Fernseher in
der Polz’schen Wohnung gefunden.« Schafmann reichte Schwemmer das Handy. Das
Bild zeigte eine aufgeschlagene Waffenzeitschrift. Die Doppelseite trug die
Überschrift »Klassische Schönheit«, daneben war mit breitem rotem Filzstift ein
Kreuz gemalt. Abgebildet war ein schwerer Revolver, dessen ohnehin mächtiger
Lauf durch die Belüftungsschiene an der Oberseite noch gewaltiger wirkte. »Colt
Anaconda« war seitlich auf den Lauf graviert. »Löst auch hartnäckige Fälle«,
stand darunter.
»Was können Sie uns dazu sagen?« Schwemmer hielt Polz das Display
vors Gesicht.
Aber dessen Augen blieben hartnäckig geschlossen.
»Ist er transportfähig?«, fragte Schwemmer.
* * *
Carina war mit ihrem Roller gekommen. Sebastian hatte unten am
Weg auf sie gewartet, versteckt zwischen ein paar Büschen, und dabei immer
wieder ängstlich in alle Richtungen gespäht, um nicht von Wanderern oder dem
Förster entdeckt zu werden.
Sie hatte eine große Tasche mitgebracht, vollgestopft mit warmer
Kleidung und Lebensmitteln. Darauf lag, zusammengerollt, eine Isomatte.
Gemeinsam schoben sie den Roller in den Wald hinein, bis er
einigermaßen getarnt war, dann stiegen sie den steilen Weg hoch zum Stadel.
Als Carina den Stadel betrat, schüttelte sie entsetzt den Kopf.
»Hier kannst du doch nicht bleiben«, sagte sie.
»Das ist schon in Ordnung. Ich bin nicht anspruchsvoll.«
»Warum gehst du nicht in ein Hotel?«
»Da würde er mich finden.«
Sie sah sich um, ihre Schultern sanken herab. »Ich würd dich ja mit
zu mir nehmen … aber meine Mutter …«
»Lass mal«, sagte Sebastian. »Das passt schon.«
»Vielleicht krieg ich noch irgendwoher eine Luftmatratze«, sagte
sie.
»Die Isomatte reicht. Da ist ja auch Heu.« Sebastian begann, die
Tasche auszupacken.
»Aber das stinkt doch!«
»Ist ja nicht für ewig«, sagte Sebastian. Eine kleine Taschenlampe
war ebenfalls in der Tasche.
»Sondern?«, fragte sie.
Sebastian zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht.«
Sie wusste, dass er ihr etwas Wesentliches verschwieg, das konnte er
ihr ansehen. Aber sie fragte nicht nach.
Sie hatte an alles gedacht. Pullover, eine Decke, Knäckebrot und
sättigende Kekse, Konserven, die man auch kalt essen konnte. Sogar
Brillenputztücher. Er steckte sie gemeinsam mit der Lampe in die Jackentasche.
»Ich danke dir«, sagte er und trat auf sie zu.
Sie blieb starr stehen, als er seine Hände auf ihre Oberarme legte.
Irgendwie hätte er ihr gern einen Kuss gegeben, nur auf die Wange, aber er
spürte, dass sie nicht berührt werden wollte – nicht nur von ihm, sondern gar
nicht. Also ließ er die Hände wieder sinken.
»Danke«, sagte er noch einmal.
»Ich hab noch was für dich«, sagte sie, als sei nichts gewesen, und
vielleicht war ja auch tatsächlich nichts.
Sie zog ein Handy aus der Tasche und reichte es ihm.
»Das ist das Smartphone, das Lerchl dir versprochen hat.«
»Wie kommst du denn da ran?«
»Ich verwalte die doch. Die liegen in meinem Schreibtisch. Das hab
ich eben aus dem Büro geholt. Damit kannst du bestimmt was anfangen. Da ist ein
Navi drin, und ins Internet kannst du auch. Das kann nicht schaden, wenn du
hier oben hockst.«
»Das stimmt wohl.«
»Einfach deine SIM -Karte reinstecken.
Der Akku ist geladen.«
»Super. Vielen Dank. Schon wieder.«
Er grinste verlegen, und sie lächelte zurück.
* * *
»Das K3 checkt gerade die Fingerabdrücke«, sagte Schafmann.
»Was ist eigentlich mit der Handyüberwachung von Polz junior?«,
fragte Schwemmer.
»Läuft noch nicht. Ich hab schon nachgefragt, die richterliche
Genehmigung ist raus, aber da hakt irgendwas beim Provider. Da sitzen manchmal
aber auch Typen …«
»Ach, in der Branche möchte ich auch nicht
arbeiten«, sagte Schwemmer.
»In welcher Branche möchte man schon arbeiten? In unserer?«
»Nicht wenn man die Wahl hat.«
»Halt durch«, sagte Schafmann. »Sind ja nur noch ein paar Jahre.«
Sein Telefon signalisierte einen Internanruf. Er warf einen Blick
auf das Display. »Hessmann«, sagte er.
»Ich bin nicht da«, sagte Schwemmer.
Schafmann nahm ab und meldete sich. »Nein, der ist nicht hier«,
sagte er.
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