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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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lag.
    Alle Kraft hatte er zusammengenommen, obwohl ihm eigentlich klar
gewesen war, dass das Leben der Frau nicht mehr zu retten war. Er hatte eine
Herzmassage versucht, so wie er es im Zivildienst gelernt hatte. Ein paar
Dutzend Stöße hatte er geschafft, dann hatte er aufgeben müssen.
    Fast wäre er die Stiege hinuntergestürzt, so schwach war er gewesen.
Die Haustür, die die alte Frau hatte offen stehen lassen, hatte er hinter sich
zugezogen und sich zu seinem Wagen geschleppt. Er war sofort losgefahren, nur
weg von diesem Ort. Bis zur Bundesstraße hatte er es geschafft und war auf den
leeren Parkplatz des Einkaufszentrums gebogen. Dort, keine hundert Meter von seinem
Bürofenster entfernt, hatte er fast eine halbe Stunde zitternd im Wagen
gesessen, bis er gemerkt hatte, dass er immer noch die Duschhaube auf dem Kopf
hatte. Das hatte ihn halbwegs ernüchtert.
    Er war nach Hause gefahren, hatte einen kurzen Gruß durch die
Wohnzimmertür gerufen, hinter der sein Vater immer noch vor dem Fernseher saß,
und sich dann ins Bett verkrochen. Und wieder hatte er kein Auge zugetan.
    Kein Wunder, dass Dr. Lerchl ihn für krank hielt. Aber Pillen
würden ihm kaum helfen.
    Obwohl, ein Schlafmittel … Er hatte noch nie Schlaftabletten
genommen. Weil er sie nicht nötig hatte, aber auch, weil er der Meinung war, so
etwas Natürliches wie Schlaf brauche man chemisch nicht zu unterstützen. Aber
jetzt war es für ihn natürlich, nicht zu schlafen.
    Er überlegte, tatsächlich zum Arzt zu gehen, aber er wusste nicht,
zu welchem. Dr. Hübenreuther, zu dem die Familie schon seit seiner Geburt
ging, kam nicht in Frage. Er würde wissen wollen, was los war, und er würde
merken, dass Sebastian ihn anlog.
    Das Telefon begann zu läuten. Sebastian schreckte zusammen. Aber es
war kein »Unbekannter Teilnehmer«. Es war Carina Öckler.
    Sie erkundigte sich nach seinem Zustand. Er log, und sie schien es
zu merken.
    »Was fehlt dir denn eigentlich?«, fragte sie, und es klang, als
hätte sie viel Mut zusammennehmen müssen für diese Frage.
    »Schlaf«, brach es spontan aus ihm heraus. »Was mir fehlt, ist
Schlaf.«
    »Oh … ich … ich komm mal kurz rüber, wenn’s recht ist«, sagte sie
und legte auf, bevor er widersprechen konnte.
    Eine Minute später stand sie in der Tür und lächelte verlegen, aber
ihr Blick wurde ernst, als sie ihn ansah.
    Zögernd trat sie heran und legte etwas auf den Schreibtisch, das sie
in der Hand verborgen gehalten hatte. Es war ein Blister mit blauen Tabletten.
Sie waren in Viertel unterteilbar.
    »Eigentlich sind die rezeptpflichtig«, sagte sie. »Nimm erst mal
nicht mehr als eine halbe.«
    »Ja … danke.« Er griff nach der Packung. »Wieso … wieso hast du so
was?«
    »Ich schlaf auch schlecht«, sagte sie, und es war klar, dass sie
genau dies nicht gefragt werden wollte. Sie sah zur Seite.
    »Eine halbe, sagst du?«, fragte er.
    »Ja. Direkt bevor du ins Bett gehst. Und gewöhn dich besser nicht
dran.«
    Ohne ihn noch einmal anzusehen, drehte sie sich um und ging hinaus.
Sebastian sah ihr hinterher. Hatte sie sich daran gewöhnt? Vielleicht zu sehr?
    Er sah sich die Tabletten an. Der Name sagte ihm nichts, und ein
Beipackzettel war nicht dabei.
    Nicht mehr als eine halbe. Vielleicht würde er ja wirklich schlafen
können heute Nacht.
    Dann begann sein Handy zu läuten. »Unbekannter Teilnehmer«, stand
auf dem Display.
    * * *
    Schwemmer hüstelte leise und legte mit einem entschuldigenden
Lächeln eine Schachtel Konfekt auf den Schreibtisch von Frau Fuchs.
    Sie nahm die Schachtel prüfend in die Hand und nickte zufrieden.
    »Das war aber auch fällig«, sagte sie.
    »Tut mir leid. Ich war gestern ein bisschen …«
    »Schon gut. Solang es nicht öfter vorkommt.« Sie warf einen Blick
über die Schulter auf die Tür zum Chefbüro, hinter der seit fünf Monaten
Polizeidirektor Hessmann residierte. »Wenn’s von dem jedes Mal, wenn’s
angebracht wär, Konfekt gäb, könnt ich mein Gewicht nicht halten«, flüsterte
sie dann mit einem verschwörerischen Augenzwinkern.
    Sie lachten beide ein bisschen.
    »Der wird auch noch ruhiger«, sagte Schwemmer.
    »Hoffen wir’s.«
    »Schafmann im Haus?«
    »Ich weiß grad nicht, wo er steckt.«
    »Na, er wird eh gleich bei mir reinschneien.«
    Damit verabschiedete er sich in sein Büro.
    Als er hinter seinem Schreibtisch saß, schloss er kurz die Augen.
    »Meine Aufgabe für heute«, murmelte er, »ich darf meine schlechte
Laune nicht an meinen

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