Der Teufel von Garmisch
ihn der Schlag
gegen die Stirn getroffen hatte. Er wunderte sich, dass er sofort wusste, wo er
war und was passiert war.
Sollte er nicht eine Gedächtnislücke haben?
Carina kniete neben ihm. Sie hielt seine Hand und ließ sie sofort
los, als er die Augen öffnete. »Wie geht es dir?«, fragte sie.
»Keine Ahnung«, antwortete er wahrheitsgemäß und versuchte, sich
aufzurichten. Vorsichtig tastete er über seine Stirn. Er hatte eine Mordsbeule,
aber er entdeckte kein Blut an den Fingern. Immerhin.
»Was ist passiert?«, fragte Carina.
»Jemand hat mir einen Knüppel oder so was übergezogen.«
»Hat er dich ausgeraubt?«
Er suchte die Taschen seiner Jacke ab. Brieftasche und
Hotelschlüssel waren noch da. »Mein Handy. Mein Handy ist weg«, sagte er.
»Das hab ich«, sagte Carina.
»Äh … wieso das denn?«
»Es hat geklingelt. Ich hab dich hier gefunden, und dann hat es
sofort angefangen zu klingeln. Ich hab’s aus deiner Tasche genommen.«
»Bist du drangegangen?«
Sie nickte schuldbewusst. »Ich wusst ja nicht …«, sagte sie.
»Schon gut. Was hat er gesagt?«
»Das wäre, weil du nicht auf dein Handy aufgepasst hast. Was soll
das, Sebastian?«
»Das ist eine lange Geschichte. Und ich möchte sie nicht erzählen.«
Sie sah ihn traurig an. »Kannst du aufstehen?«, fragte sie.
»Ich denk schon.«
Sie stand auf und reichte ihm die Hand. Mit einem kräftigen Zug half
sie ihm hoch. Er hatte ein wenig Mühe, auf den Beinen zu bleiben, und hielt
sich an dem Bauzaun fest. »Wie lang war ich weg?«
»Das weiß ich nicht. Ein paar Minuten. Komm. Du musst ins Bett.«
SIEBEN
»Also: Der Mann trägt eine Brille und wohnt da in der Nähe, wo
ein dunkles Auto losgefahren ist. Das nenn ich mal eine Spur.«
»Hast du was Besseres?«, fragte Schafmann.
»Wir haben den Kaltenbusch.«
»Ja. Aber das im Auto waren nicht seine Fingerabdrücke.«
Schwemmer nickte widerwillig und trank von seinem Kaffee. Das
Schlimmste an Mordermittlungen war, dass immer alles so furchtbar früh am
Morgen passieren musste. Staatsanwältin Isenwald steckte offensichtlich im
Verkehr fest, wahrscheinlich auf der B 2 vor Oberau.
Da kann sie sich schön auf ihren zweihundert PS ausruhen, dachte Schwemmer und grinste grimmig. Immerhin brachte ihm das ein
paar zusätzliche Minuten Ruhe.
»Na schön«, sagte er. »Kümmern wir uns also um diesen Polz. Wann
kommen die GAP -Data-Leute aus Köln wieder?«
»Morgen, spätabends«, antwortete Schafmann. »Die fahren nach Ende
der Messe los und sind kurz vor eins hier am Bahnhof.«
»Dann laden wir ihn für Montag zur Aussage vor. Mit dem Üblichen.
Alibi, Fingerabdrücke, DNS .«
»Glaubst du dran?«, fragte Schafmann.
»Was ist das denn für eine Frage? Das ist deine Spur. Du hast Polz befragt. Ich kenn den Mann nicht.«
Schafmann blätterte in seinem Notizblock. »›Leicht betriebsblind‹
hab ich notiert. Wirkt extrem harmlos.«
»Klingt verdächtig.«
Sie lachten beide, aber irgendwie wollte die Stimmung nicht recht
heiter werden an diesem Morgen. Und es schien Schwemmer, dass das nicht nur an
seinem vollüblichen Morgentief lag. Es lag auch nicht an Högewalds Schlagzeile
des Tages: » POLIZEI SUCHT DEN TEUFEL VON GARMISCH «.
Es lag daran, dass Schafmann nicht er selbst war und dass er das
nicht verbergen konnte. Er machte einen irgendwie zerknitterten Eindruck, eine
Mischung aus unausgeschlafen und unglücklich. Fast tat er ihm leid.
»Wie geht es der Bärbel?«, fragte Schwemmer.
»Warum fragst du?«, erhielt er zur Antwort.
»Warum? Warum nicht? Darf ich mich nicht nach deiner Familie
erkundigen?«
»Natürlich darfst du. Der Bärbel geht’s gut.«
»Schön. Und den Kindern?«
»Denen auch. Aber der Große kommt wohl in die Pubertät.«
»Ja mei«, sagte Schwemmer und nahm schnell einen Schluck Kaffee.
Etwas anderes fiel ihm zu dem Thema nicht ein. Außer dass er froh war, solche
Probleme nicht zu haben. Aber das Eltern zu erzählen hatte er sich nur einmal
getraut. Lange her. War ein Fehler gewesen.
»Warum warst du gestern bei der Misera?«, fragte Schafmann plötzlich
und ohne ihn dabei anzusehen.
»Sie hatte angerufen«, sagte Schwemmer leichthin.
»Bei dir oder bei mir?«
»Bei dir, wurde aber zu mir rübergeschaltet. Spielt das eine Rolle?«
»Nein«, sagte er. »Natürlich spielt das keine Rolle.«
Schwemmer schwieg. Es schien ihm das Beste zu sein. Zu seinem
Bedauern sah Schafmann das anders.
»Ich mein nur, ich hatte ja schon ein paarmal mit
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