Der Teufel von Garmisch
seinem
Steuerhaus.
Er bemerkte, dass Carina hinter ihm stand und darauf wartete,
ebenfalls ihre Jacke rauszuhängen. Es war genug Platz für zwei auf dem Balkon,
aber sie hätte sich ein wenig vorbeidrängen müssen, was ihr anscheinend
unangenehm war. Ihre Scheu, ihm körperlich zu nahe zu kommen, hatte er schon am
Mittag bemerkt, als sie ihre Kabine bezogen hatten.
»Ich geh mal ins Bad«, sagte Sebastian und räumte den Balkon.
Zuerst putzte er sich die Zähne, um den Whiskeygeschmack zu vertreiben,
aber das wollte kaum gelingen. Dann stellte er sich unter die Dusche und genoss
das entspannende Prasseln. Er tastete seinen Ellbogen ab, der sich mittlerweile
wieder strecken, aber immer noch nicht ganz anheben ließ. Es war zu schade,
dass er das Zimmer nicht für sich allein hatte. Am liebsten wäre er zwanzig
Minuten unter dem heißen Strahl stehen geblieben, aber das kam natürlich nicht
in Frage. Schließlich musste Carina auch irgendwann ins Bad. Widerwillig drehte
er den Hahn zu und rubbelte sich die Haare trocken. Als er die Glastür der
Duschkabine aufschob, meinte er, Carinas Stimme im Zimmer zu hören.
Wahrscheinlich telefonierte sie.
Er nahm einen der dicken weißen Bademäntel aus dem Regal neben der
Dusche und streifte ihn über. Dann wischte er seine beschlagenen Brillengläser
mit einem Kosmetiktuch sauber. Er wollte gerade die Tür öffnen, da klopfte es.
»Du kannst jetzt rein«, sagte er, als er das Zimmer wieder betrat.
Carina sah ihn unsicher an. »Du … dein Handy hat geklingelt …« Sie
hielt ihm das Gerät hin.
Er ahnte – nein, er wusste, was ihr Blick zu bedeuten hatte. Mit
einer heftigen Bewegung nahm er ihr das Telefon aus der Hand.
»Du bist drangegangen«, sagte er.
»Ja …« Sie sah zu Boden. »Ich dachte, es sei vielleicht dein Vater,
aber …«
»Wer war dran?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte.
»Ich weiß nicht. Es war ein anonymer Anruf.«
»Was hat er gesagt?«
»Es war eine ganz komische Stimme. Wie elektronisch verändert.«
»Was hat er gesagt?«
Sie machte hilflos rudernde Bewegungen mit den Händen. Es sah albern
aus. »Er sagte … aber ich weiß gar nicht, ob das ein Mann war …«
»Was hat er gesagt?«
»Dass ich gar nicht hätte drangehen dürfen.«
Sebastian stieß ein ungläubiges Lachen aus. »Sonst nichts?«
»Doch. Eine Menge … Dass du besser auf dein Handy aufpassen musst.
Und dass er dich treffen will.«
»Was?«
»Ja. Du sollst am Schokoladenmuseum vorbeigehen. Und da ist eine
Baustelle. Da sollst du auf ihn warten.«
»Wann?«
»Na, jetzt.«
»Scheiße«, flüsterte Sebastian und ließ sich auf sein Bett sinken.
»Er sagt, eine Viertelstunde würde er warten, dann wär es vorbei.«
»Hast du eine Ahnung, wo das ist, dieses Schokoladenmuseum?«
Carina griff nach ihrer Handtasche und wühlte darin herum. Dann zog
sie einen Gratisstadtplan heraus, wie er auf der Messe verteilt wurde. Sie
faltete ihn auseinander und fuhr suchend mit dem Finger darüber.
»Wir sind hier«, murmelte sie. »Und da … Das ist nicht weit! Einfach
am Ufer links. Ein paar hundert Meter!«
Sebastian raffte sich auf und suchte seine Kleidung zusammen. Dann
begann er sich anzuziehen, ohne Rücksicht auf eventuelle Peinlichkeiten.
»Was ist das überhaupt für einer?«, fragte Carina.
»Mach dir keine Gedanken«, sagte Sebastian und schlüpfte ohne Socken
in die Schuhe, wie er es in diesen Tagen schon einmal getan hatte.
»Aber wieso ist das so wichtig? Wieso musst du da jetzt hin?«
Sebastian schloss die Gürtelschnalle seiner Hose, dann griff er nach
seinem Trenchcoat und verließ das Zimmer.
»Soll ich nicht mitkommen?«, rief Carina ihm nach, aber er schloss
einfach die Tür und lief los.
Der verschlafene ältere Herr an der Rezeption sah ihm mäßig
interessiert hinterher, als er mit schnellen Schritten über die Gangway an Land
ging. Er wandte sich nach links und hoffte, dass Carina den Stadtplan richtig
gelesen hatte. Aber tatsächlich kam das auffällige Gebäude des
Schokoladenmuseums schon nach wenigen Schritten in Sicht. Er lief unter einer
Brücke hindurch, dann machte der Weg einen Schlenker zu einer Brücke über die
Einfahrt zum Jachthafen. Bald rang er um Atem und fühlte Schweiß seinen Rücken
hinunterlaufen. Er war für so etwas nicht gemacht und nicht trainiert.
Hinter dem Schokoladenmuseum war ein Sport- und Olympiamuseum,
ausgerechnet, dann eine umgebaute alte Lagerhalle. Sein Atem brannte. Über ihm
war die nächste
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