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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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beantworten
könnte, würde das vielleicht überflüssig«, setzte Isenwald hinzu.
    Der Anwalt nickte und stand auf. »Ich werde das meinem Mandanten
mitteilen«, sagte er und ging hinaus.
    »Ein Mann von Prinzipien!« Isenwald schüttelte heftig ihre schwarzen
Locken. »Was gibt es nur für Arschlöcher?«
    »Ach, wissen Sie«, sagte Schwemmer, »ohne die wären wir doch arbeitslos.«
    * * *
    Mit einer gemurmelten Entschuldigung drängte Sebastian sich an
der Putzkraft vorbei, die gerade die grauen Bodenfliesen der Herrentoilette
wischte. Er betrat die erste freie Kabine, schloss den Klodeckel und ließ sich
erschöpft daraufsinken. Fast zwei Stunden hatte er ununterbrochen reden müssen.
Von einer Beraterfunktion für Selbach konnte überhaupt keine Rede sein, die
Kunden umringten ihn und bombardierten ihn mit Fragen. Seine anfänglichen
Hinweise auf Selbach hatten bereits nach einer Viertelstunde nicht mehr
verfangen, da der am anderen Ende des Stands ebenso umlagert war wie er selbst.
Das alles war natürlich großartig für GAP -Data,
und Lerchls Augen strahlten, als sei er frisch verliebt.
    Die Beule an der Stirn tat ein Übriges, ihn fertigzumachen. Er
musste alle Gespräche gegen das dumpfe Dröhnen führen, das von ihr ausging.
Mitunter übertönte es die Stimmen seiner Gegenüber. Er tastete an der Beule
herum. Sie fühlte sich gewaltig an, aber die Tabletten, die Carina ihm gegeben
hatte, wirkten.
    Er tastete in der Brusttasche nach seinem Handy. Carina hatte in der
Nacht sogar daran gedacht, es aufzuladen. Er wollte sich nicht vorstellen, was
die Stimme machen würde, wenn er den nächsten Anruf wieder nicht entgegennahm.
    Die Stimme. Der Mörder war in Köln, so viel stand fest. Er
beobachtete ihn. Selbach war Minuten vor dem Anruf mit dem Taxi weggefahren.
Aber wohin? In sein Hotel? Genauso gut konnte er an der nächsten Ecke wieder
ausgestiegen sein. Vielleicht hatte er sich aber auch direkt zu diesen modernen
Häusern fahren lassen und ihn dann dorthin kommandiert.
    Sebastian zuckte zusammen, als das Handy zu läuten begann. Für eine
Sekunde fürchtete er, die Stimme könnte seine Gedanken lesen, aber dann schalt
er sich einen Dummkopf, was seine Angst aber auch nicht dämpfte.
    »Unbekannter Teilnehmer«. Er nahm das Gespräch an.
    »Wie geht es dir, Sebastian?«, fragte die Stimme.
    »Schlecht«, antwortete er. Vor der Kabine war ein ständiges Kommen
und Gehen an den Urinoirs. Er versuchte, es zu ignorieren. Er ahnte, dass die
Stimme genau wusste, wo er sich befand. Und tatsächlich hörte er, verzerrt,
aber deutlich, Stimmengewirr im Hintergrund, das typisch monotone
Hintergrundgeräusch der Messehalle. Der Mörder war hier. In seiner Nähe.
    »Schlecht soll es dir auch gehen, Sebastian. Das ist deine Strafe.«
    »Warum lassen Sie mich nicht einfach in Ruhe?« Er wusste, dass es
eine alberne Frage war, aber etwas anderes fiel ihm nicht ein.
    Die Stimme ließ prompt ein freudloses Lachen hören. »Erwartest du
eine Antwort, Sebastian? Wenn du einen Tumor im Leib hättest, würdest du ihn
das dann auch fragen?«
    »Nein«, sagte Sebastian ergeben.
    »Eben. Du kannst dem Schicksal Fragen stellen, so viel du willst. Es
wird sie dir nicht beantworten.«
    »Was soll ich tun?«
    »Für mich da sein, Sebastian. Immer für mich da sein.«
    Die Stimme verschwand, die Verbindung war beendet. Sebastian erhob
sich schwerfällig von seinem Sitzplatz, ordnete seine Kleidung und verließ die
Kabine. Am Waschbecken warf er sich etliche Handvoll Wasser ins Gesicht und begutachtete
die Beule, deren Farbe immer mehr ins Blaue changierte. Dann richtete er seinen
Schlips, den Carina ihm am Morgen gebunden hatte. Nach seinem zweiten
fehlgeschlagenen Versuch hatte sie ihm die Krawatte einfach aus der Hand
genommen.
    Als er aus der Toilette wieder in die Halle trat, sah er Selbach
direkt auf sich zukommen.
    »Passen Sie auf mich auf?«, fragte Sebastian.
    »Kann man so sagen.« Selbach sah ihn prüfend an. »Alles in Ordnung?
Als Sie so lange weggeblieben sind, hab ich mir ein bisschen Sorgen gemacht.
Nicht dass Sie uns auf dem Klo zusammenklappen.«
    »Nein. Ich brauchte nur ein paar Minuten Ruhe.«
    »Ja, klar. Das ist ja auch wirklich ein Schlauch, so eine Messe.«
Selbach zeigte mit dem Kinn auf einen Getränkestand. »Lassen Sie uns kurz was
trinken. Einen Saft oder eine Cola.«
    Sie gingen zu dem Stand, der neben dem Ausgang zur Raucherterrasse
lag. Selbach holte zwei Becher Orangensaft, und sie gingen hinaus.

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