Der Teufel von Garmisch
ihr gesprochen.«
»Ja. Ich hörte davon«, sagte Schwemmer. »Nur gelesen hab ich
nichts.«
Wenn Schafmann diese Schiene fahren wollte, konnte er das haben.
Warum hält der nicht einfach die Klappe?, dachte Schwemmer.
»Ich hätte das Protokoll schon noch geschrieben. War halt alles
recht viel die letzten Tage.«
»Hm«, sagte Schwemmer und war erleichtert, als sein Handy zu läuten
begann und das peinliche Gespräch abkürzte. Seine Erleichterung verflog
allerdings schnell, als er das Gespräch annahm.
Es war Tante Kati.
Beim Frühstück waren weder die Wallhuber Vroni noch der Schloch
Bartl am Tisch gesessen, und der Bartl hätt nicht geöffnet, als die Kati
geklopft hatte bei ihm, und jetzt würd sie hingehen und der Wallhuberin die
Zimmertür eintreten, es sei denn, der Hausl tät das Weibsbild auf der Stelle
verhaften.
Schwemmer sah sich nicht in der Lage, ihr das zuzusagen, und war ein
bisschen beunruhigt, als die Kati daraufhin wortlos das Gespräch beendete.
»Wortlos« und »Tante Kati« waren zwei Begriffe, die Schwemmer bisher noch nie
in Verbindung gebracht hatte. Er hoffte, die zierliche Person würde sich nicht
die Haxn brechen, falls sie tatsächlich der Vroni gegen die Tür treten würde.
Er überlegte, Burgl anzurufen, aber die war in der Praxis und sowieso nicht zu
sprechen, wenn sie im Therapiegespräch war. Er steckte das Handy wieder ein.
»Es ist nur«, sagte Schafmann, »weil ich nicht sicher war, was ich
davon halten sollte.«
Schwemmer sagte nichts. Nicht sicher, was er davon halten sollte,
war er auch. Dass Schafmann kein Kommentar zu Tante Katis Anruf einfiel, war
das wahrscheinlich deutlichste Zeichen, dass er ernsthaft durcheinander war.
»Nächstes Mal kannst du wieder mit ihr
reden«, sagte Schwemmer.
»Ja. Nein. Ich weiß nicht«, sagte Schafmann.
Schwemmer rieb sich die Stirn und war tatsächlich froh, als es
klopfte und Frau Dr. Isenwald mit einem bestgelaunten »Servus miteinand!«
in sein Büro gestürmt kam.
* * *
Der Blick in den Spiegel war extrem unschön. Nicht dass
Sebastian jemals besonders schön gefunden hätte, was er da morgens im Spiegel
geboten bekam, aber heute war es wirklich bitter. Eine rotblaue Beule von der
Größe einer Birne prangte fast mittig auf seiner Stirn. Der stechende Schmerz,
der in der Nacht immer wieder in grellen Blitzen durch seinen Kopf gefahren
war, war einem dumpfen Pochen gewichen.
Sebastian putzte sich vorsichtig die Zähne und ging zurück ins
Zimmer.
»Ich ruf Dr. Lerchl an«, sagte Carina. »Ich meld dich krank.«
»Lass mal«, sagte Sebastian. »Ich brauch nur ein paar Kopfschmerztabletten.
Dann krieg ich das hin.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!« Auch Carina sah man die
durchwachte Nacht an. Immer wieder hatte sie an der Rezeption Eiswürfel
besorgt, mit denen sie seine Stirn gekühlt hatte. Wie die Beule sonst
ausgesehen hätte, wagte Sebastian sich nicht vorzustellen.
Aber er wollte mit. Er wollte auf die Messe.
»Es gibt keinen Grund, den Helden zu spielen«, sagte Carina. »Und
wenn du dich wirklich schon bewegen kannst, dann solltest du besser zur Polizei
gehen.«
»Nein«, entfuhr es ihm. »Nicht zur Polizei.«
»Willst du den Kerl denn ungeschoren davonkommen lassen?«
»Ach, die kriegen den ja doch nicht …«
Sie schüttelte unwillig den Kopf. »Du solltest im Bett bleiben.«
»Ich krieg es hin«, sagte Sebastian.
Es war kein Heldentum, das ihn trieb. Es war das Gegenteil. Er hatte
Angst. Zwischen den Menschen auf der Messe wäre er sicherer als alleine hier,
auf diesem Schiff.
»Ich krieg es hin«, wiederholte er und begann sich anzuziehen.
Dr. Lerchl sah ihn ungläubig an, als sie leicht verspätet
am Messestand auftauchten. Sebastian hatte sich eine Geschichte zurechtgelegt
von einem kleinen Spaziergang vor dem Schlafengehen und einem vermummten
Räuber, der aber wohl geflohen sein musste, vor wem auch immer. Dr. Lerchl
forderte ihn dringend auf, zur Polizei zu gehen, und es war Selbach, der das
gleiche Argument vortrug wie Sebastian eben noch Carina gegenüber.
»Die kriegen den ja doch nicht«, sagte er.
Die Messe war eben erst eröffnet worden, und noch waren nur wenige
Besucher am Stand, mit denen die Vertriebler ganz gut allein zurechtkamen.
»Ich würde gern mit Ihnen beiden über gestern Abend reden«, sagte
Dr. Lerchl zu Selbach und Sebastian und schob ein halbherzig klingendes
»Wenn es Ihre Verfassung zulässt« hinterher.
Sie zwängten sich in die winzige
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