Der Teufel von Herrenhausen
eine
dunkel getönte Brille, seine langen Haare hatte er zu einem dünnen
Pferdeschwanz zusammengebunden, der ihm fast bis auf die Pobacken fiel. Der
Oberkopf war dagegen fast kahl. Er trug Jeans und ein dunkles T-Shirt über
einem stattlichen Bauch, der nicht zu dem ansonsten dynamisch anmutenden Gehabe
des Mannes passen wollte.
Frau Masterson saß
neben ihrem Mann auf der Sofalehne und streichelte seine Stirnglatze. Sie trug
einen weiten, wadenlangen Rock und ein ärmelloses Top, war schlank und tief
gebräunt, wenn auch das Alter nicht spurlos an ihr vorübergegangen war. Nach
Charlottes Informationen musste sie Mitte fünfzig sein.
Charlotte und
Maren hielten beide eine Teetasse in der Hand und kamen sich ein bisschen
hilflos vor, weil es keinen Tisch gab, auf dem sie die Tassen hätten abstellen
können.
»Also«, begann
Charlotte, stellte ihr Tee-Gedeck mit einem Klirren auf den Parkettfußboden und
kramte das Foto von Jutta Frieder aus ihrer Jackentasche.
»Sie haben doch
auf der Hochzeit Ihres Neffen den Film gedreht. Ist Ihnen diese Frau
aufgefallen?«
Frau Masterson
nahm das Bild und betrachtete es eingehend. »Nein, also diese Frau habe ich
noch nie gesehen. Du?« Sie sprach leise und deutlich, so als hätte sie es mit
Kindern zu tun. Sie hielt ihrem Mann das Bild hin, der in der einen Hand sein
Teegedeck balancierte, während er mit der anderen ein Loch in den Tassenboden
rührte und einen kurzen Blick auf das Foto warf. Dann schüttelte er den Kopf,
legte den Löffel weg und nahm einen Schluck Tee.
»Nein, an die Frau
kann ich mich nicht erinnern, aber ich hatte ja auch die ganze Zeit die Kamera
vor der Nase. Wollte Andreas einen Gefallen tun, aber so was mach ich nicht
wieder. Da geht einem ja die ganze Atmosphäre verloren, wenn man immer nur
durch eine Kameralinse guckt.«
Charlotte fragte
sich, wann ihm das wohl aufgefallen war.
»Können Sie sich
sonst an irgendetwas Ungewöhnliches erinnern? Wo haben Sie sich die meiste Zeit
aufgehalten?«
»Also, ich habe
fast den ganzen Abend mit Gesine zusammengesessen«, sagte Frau Masterson. »Sie
schien irgendwie Kummer zu haben, aber sie wollte wohl nicht darüber sprechen.
Also hab ich nicht weitergebohrt, bin aber bei ihr geblieben. Die anderen waren
ja ständig am Tanzen oder haben draußen rumgestanden.«
Annegret Masterson
blickte mit leichtem Vorwurf auf die Glatze ihres Mannes.
»Du warst ja auch
den ganzen Abend beschäftigt, aber darüber haben wir ja schon gesprochen«,
sagte sie sanft. Ihr Mann reagierte ein bisschen verkniffen auf diese Aussage.
Charlotte sah
Masterson fragend an, während Maren neben ihr leise fluchte. »Verdammt heiß.«
Mit leisem Klappern fand ihre Tasse die Untertasse.
Masterson hatte
anscheinend nicht die Absicht, sich unaufgefordert zu äußern.
»Und«, Charlotte
musste deutlich werden, »stimmt das?«
Masterson nahm
einen Schluck Tee, stellte geräuschlos seine Tasse ab und machte eine vage
Handbewegung. »Wissen Sie, ich war wirklich überall und nirgends. Ich kann beim
besten Willen nicht mehr genau sagen, wann ich wo gewesen bin. Sie brauchen
sich ja nur den Film anzusehen. Dann wissen Sie auch, wo ich war, hinter der
Kamera.« Er lächelte, während seine Frau kaum merklich die Stirn kräuselte.
»Sie können uns
also nichts sagen, was uns weiterhelfen könnte, oder haben Sie eine Vorstellung
davon, warum diese Frau auf der Hochzeit Ihres Neffen war?«
»Na, also, wenn er das nicht weiß«, sagte Frau Masterson verständnislos.
»So genau kennen wir den Bekanntenkreis unseres Neffen nicht.«
»Na gut.«
Charlotte stand abrupt auf und hätte beinahe ihre volle Tasse umgeworfen, die
immer noch auf dem Fußboden stand. Es fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein.
»Wenn Sie uns jetzt noch sagen könnten, wo Sie letzten Donnerstagabend zwischen
elf und ein Uhr gewesen sind.«
Die beiden sahen
sich verdutzt an. »Werden wir etwa verdächtigt?«, fragte Frau Masterson empört.
»Nein«, sagte
Charlotte.
»Na, also, wir
waren hier. Ich hab mich noch vorbereiten müssen, wir hatten am Freitag im
Kindergarten eine Ausstellung, und mein Mann«, sie warf der Glatze ihres Mannes
einen Blick zu, »hat am Schreibtisch gesessen, wie immer.«
Wolfgang Masterson
nickte und zog an seiner Pfeife.
Charlotte und
Maren verabschiedeten sich.
»Was hältst du von
den beiden?«, fragte Maren, als sie wieder im Auto saßen.
»Ich glaube, dass
der Typ ein ziemlicher Versager ist und seine Frau ihrem Bruder die
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