Der Teufel von Herrenhausen
ihre Mails, kam zu dem Schluss, dass deren
Beantwortung warten konnte, und folgte Maren hinaus.
Die Eltern des
Bräutigams wohnten in der Hahnenstraße in der Nordstadt, in der Nähe der
Leibniz-Universität. Nicht weit vom Haus entfernt erhob sich die Lutherkirche,
auf deren Treppe sich einige Punks zum Biertrinken eingefunden hatten.
Maren parkte am
Straßenrand im Halteverbot.
»Hat was, die
Wohngegend«, sagte Charlotte.
Sie betraten ein
weiß gestrichenes, mehrstöckiges Haus und stiegen hinauf in den ersten Stock.
An der Tür erwartete sie, in kampflustiger Pose die Fäuste in die dürren Hüften
gestemmt, ein schmallippiger Endfünfziger mit einem schulterlangen Lockenkranz
und Nickelbrille. Charlotte stöhnte innerlich. Der Mann hätte vor vierzig
Jahren als Werbeplakat für die APO ein Vermögen
verdienen können. Wenn die APO denn Werbung
gemacht hätte. Das war denen bestimmt zu kommerziell gewesen.
Charlotte zückte
ihren Ausweis und stellte sich vor.
Der Mann nickte
ihr zu und führte die beiden dann durch einen langen Flur, dessen Kahlheit nur
durch eine Menge Bücher unterbrochen wurde, die an der Wand entlang gestapelt
waren, in ein geräumiges Büro.
Herr Dr. Hofholt
ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder, während Charlotte und Maren auf zwei
Besucherstühlen davor Platz nahmen. Charlotte kam sich vor wie eine unartige
Schülerin, die zum Direktor zitiert worden war. Sie räusperte sich.
»Herr Hofholt –«
»Für die Polizei
Dr. Hofholt. So viel Zeit muss sein«, wurde sie unterbrochen.
»Dr. Hofholt«,
säuselte Charlotte, die eben beschlossen hatte, für den »Doktor« das »Herr«
wegzulassen, »wir ermitteln, wie Sie vielleicht wissen, in einem Mordfall. Und
das Opfer war nachweislich auf der Hochzeitsfeier Ihres Sohnes, auf der auch
Sie zu Gast waren –«
»Genau«,
unterbrach Hofholt Charlotte erneut und musterte sie abschätzig, »ich finde, es
ist gelinde gesagt eine Ungeheuerlichkeit, dass Sie die gesamte
Hochzeitsgesellschaft in Aufruhr versetzen, nur weil diese Person sich als Gast
eingeschlichen hat.«
Charlotte und
Maren sahen sich an. »Wieso in Aufruhr versetzen?«, fragte Charlotte unschuldig.
»Welche Maßnahme würden Sie denn vorschlagen?«
»Da wüsste ich
einige, aber es ist nicht meine Aufgabe, Ihren Job zu erledigen«, sagte
Dr. Hofholt.
Charlotte
beschloss, die Besserwisserei zu ignorieren, und hielt Hofholt das Foto von
Jutta Frieder vor die Nase.
»Haben Sie diese
Frau auf der Hochzeit gesehen?«
Hofholt warf einen
kurzen, gelangweilten Blick auf das Bild und wandte sich ab. »Sie verschwenden
Ihre Zeit. Ich kenne die Frau nicht und hab sie noch nie gesehen. Weder auf der
Hochzeit meines Sohnes noch sonst irgendwann.«
Damit lehnte er
sich zurück, verschränkte die Hände vor dem Bauch und beschrieb mit seinem
Stuhl kleine Halbkreise.
»Gut«, sagte
Charlotte. »Könnten wir dann bitte noch mit Ihrer Frau sprechen?«
Hofholt hörte auf,
mit seinem Stuhl Karussell zu fahren, und wurde blass um die Nase.
»Das könnte Ihnen
so passen. Gesine ist krank und nicht zu sprechen. Jedenfalls nicht für Sie und
nicht ohne Anwalt.«
»Was ist denn mit
Ihrer Frau, dass sie einen Anwalt braucht, um ein Gespräch zu führen?«, fragt
Charlotte erstaunt.
»Geht Sie zwar
nichts an, aber sie ist depressiv.«
»Aha«, sagte
Charlotte und erhob sich.
»Natürlich. Dafür
haben wir Verständnis. Sie bekommen dann einen Termin in der Direktion. Wir
werden dafür sorgen, dass ein Arzt anwesend ist, und Sie können dafür sorgen,
dass ein Anwalt anwesend ist – wenn Sie meinen, dass Ihre Frau einen braucht.
Guten Tag.« Damit wandten sich die beiden zur Tür.
Aber Hofholt
schien es sich anders überlegt zu haben. »Moment«, rief er, und die beiden drehten
sich zu ihm um. »Meine Frau hat diese Person genauso wenig gesehen wie ich. Das
hat sie mir bereits gesagt, als mein Sohn uns von der Sache erzählt hat. Sie
kann Ihnen gar nichts sagen.«
»Das würden wir
doch gerne von Ihrer Frau persönlich hören«, sagte Charlotte.
Hofholt zögerte,
und Maren öffnete die Tür. »Warten Sie, ich werde meine Frau fragen, ob sie
sich gut genug fühlt, um über dies … diese Angelegenheit zu reden.« Er war
aufgestanden und ging mit wehenden Locken an den beiden vorbei in den Flur.
Charlotte warf
Maren einen Blick zu. »Wieso schießt der mit Kanonen auf Spatzen?«, murmelte
sie.
»Das wüsste ich
auch gern«, raunte Maren zurück.
Sie warteten fast
zehn
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