Der Teufel von Herrenhausen
Augen musterten sie, als sie sich in dem hallenartigen Wohnzimmer auf
dem roten Ledersofa niederließ. Hohstedt blieb an der Tür stehen und war so
weit vom Sofa entfernt, dass Charlotte die Augen zusammenkniff, um ihren
Kollegen zu orten.
Herr Hölscher, in
cremeweißer Bügelfalte und lindgrünem Hemd, sah auf die Uhr.
»Sie müssen schon
entschuldigen, aber meine Frau hat eine Menge Verpflichtungen. Aber sie wird
gleich hier sein. Darf ich Ihnen so lange etwas anbieten? Cappuccino, Wasser?«
Charlotte und
Hohstedt verzichteten dankend. Beide schwiegen. Charlotte musterte Hölscher.
Hohstedt stand immer noch in der Tür. Sie warteten, und Hölscher wurde
sichtlich nervös.
»Tja, ich weiß
eigentlich gar nicht, was Sie von meiner Frau wollen, die hat doch den ganzen
Abend mit ihrer Schwester zusammengesessen.«
Charlotte musterte
Hölscher. »Und wo sind Sie den ganzen Abend gewesen?«, fragte sie dann.
»Du lieber Himmel.
Überall und nirgends. Ihre Tote habe ich jedenfalls nicht gesehen. Das hab ich
Ihrer Kollegin schon erzählt.« Er steckte die Hände in seine
Bügelfaltenhosentaschen und schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, frage ich
mich sowieso, was Sie sich davon versprechen, die ganze Hochzeitsgesellschaft
zu verhören. Als ob einer von uns was mit Ihrer Toten zu tun hätte. Aber man
kann Steuergelder auf vielerlei Arten verschleudern, oder?« Er lächelte
süffisant, doch Charlotte ließ sich nicht beeindrucken.
»Sie entwickeln
Softwarelösungen?«, fragte sie, ohne auf seine Äußerung einzugehen.
»Ja.«
»Und Sie haben ein
eigenes Büro?«
»Allerdings.«
»Und? Wie laufen
die Geschäfte?«
Hölscher zierte
sich ein bisschen. »Im Moment etwas schleppend, aber das kommt schon mal vor.
Ist nur vorübergehend.«
Charlotte nickte.
»Wo waren Sie noch mal? Donnerstagnacht letzter Woche?«
Hölscher verdrehte
die Augen. »Zu Hause, da bin ich meistens. Was glauben Sie? Dass ich durch den
Park renne und Frauen umbringe? Ich bin mit meiner Frau vollauf zufrieden, das
können Sie mir glauben.«
Charlotte
lächelte. Hauptsache, seine Frau war auch zufrieden mit ihm, dachte sie und sah
auf die Uhr.
Sie erhob sich.
»Wissen Sie was, Sie haben recht. Ich glaube, wir sollten jetzt gehen. Der
Streifenwagen wird dann morgen gegen halb acht hier sein.«
Charlotte war
schon auf dem Weg zur Tür, als Bewegung in Hölscher kam.
»Aber ich bitte
Sie, meine Frau ist auf dem Weg, sie muss jeden Moment hier sein«, sagte er
händeringend.
Charlotte grinste
in sich hinein. In dieser Gegend von einem Streifenwagen abgeholt zu werden,
war sicherlich nicht wünschenswert, aber wo war es das schon? Hölscher hatte
Glück, dass in diesem Moment die Wohnungstür aufgeschlossen wurde und eine
elegante Frau in dunkelblauem Kostüm und gleichfarbigen Pumps den Flur betrat.
Sie hatte bemerkenswert schöne Augen und war sorgfältig zurechtgemacht. Das
weizenblonde Haar trug sie schulterlang, und die Nase war so ebenmäßig, dass
Charlotte sich fragte, ob sie operiert war.
Sie blickte
unsicher in die Runde.
»Liebes«, meldete
sich ihr Gatte, »das sind die beiden Polizisten, die unbedingt mit dir sprechen
wollen.«
Frau Krugwald
blickte von einem zum anderen und schritt dann würdevoll zuerst auf Hohstedt zu
und reichte ihm die Hand. Die gleiche hoheitsvolle Behandlung wurde auch
Charlotte zuteil. Die Dame des Hauses hielt Hof, anders konnte man dieses
Theater nicht bezeichnen, dachte sich Charlotte.
Sie räusperte
sich. »Vielleicht sollten wir zur Sache kommen.« Sie warf Hohstedt einen Blick
zu, der das Foto der Toten aus der Innentasche seiner Jacke zog und es Frau
Krugwald hinhielt.
Sie warf einen
kurzen Blick drauf und sah dann fragend von Hohstedt zu Charlotte. »Und? Was
hab ich mit dieser Frau zu tun? Ich kenne sie nicht.«
»Sind Sie
sicher?«, frage Charlotte.
»Natürlich«,
antwortete Frau Krugwald, ohne noch einmal einen Blick auf das Bild zu werfen.
»Sie haben sie
also auch auf der Hochzeit Ihres Neffen nicht gesehen?«
»Ich sagte doch
schon, dass ich sie nicht kenne, folglich hab ich sie wohl auch auf der
Hochzeit nicht gesehen. Wäre das dann alles? Ich habe vier Kosmetiksalons zu
leiten und wenig Zeit.« Dabei musterte sie Charlotte kritisch, zog dann eine
Karte aus ihrer Jackentasche und drückte sie Charlotte in die Hand. »Falls Sie
Interesse an einer Behandlung haben. Sie werden sich wie ein neuer Mensch
fühlen.«
Charlotte hatte
nicht die Absicht, sich wie ein neuer Mensch zu
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