Der Teufel von Herrenhausen
Nordsee geplant hatten, zu dem seine Frau nun allein
aufgebrochen war. Okay, sagte sie sich. Da wär ich auch schlecht gelaunt.
Bergheim, der
unterdessen an seinem Computer im Büro in der Waterloostraße saß und seinen
Posteingang kontrollierte, erhielt einen seltsamen Anruf auf seinem Handy. Der
Anrufer war männlich – jedenfalls glaubte Bergheim das, denn er flüsterte nur:
»Kümmern Sie sich um Tabea Wegener.«
Noch bevor
Bergheim eine Frage stellen konnte, war das Gespräch weggedrückt. Er sah auf
sein Display. Unbekannt. Was denn sonst, dachte er und schaltete sein Gerät
aus.
»Das ist seltsam«,
sagte er laut vor sich hin.
Tabea Wegener. Das
muss Timons Schwester sein, dachte er und rief im Computer das Protokoll ihrer
Befragung auf. Kramer hatte sich mit ihr unterhalten, und sie hatte absolut
nichts zu sagen gehabt.
Sie hatte bei
ihrer Freundin übernachtet, und als sie nach Hause gekommen war, hatten ihre
Eltern ihr vom Verschwinden des Bruders berichtet. Sie kannte seine Freunde
nicht – außer natürlich Eric Bach, der in der Kollenrodtstraße wohnte. Tabea
hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass sie sich von ihrem Bruder gegängelt
fühlte und ihn zum Teufel wünschte.
Bergheim schürzte
die Lippen. Das war immerhin interessant. Wieso hatte Kramer da nicht
nachgehakt? Bergheim schaltete den Computer aus.
Der Sache sollte
er auf den Grund gehen, und zwar gleich. Bis jetzt gab es keinen Hinweis, was
mit Timon passiert war – wenn denn wirklich etwas passiert war. Bergheim griff
nach seinem Schlüssel und fuhr zum Lister Kirchweg.
Es war halb zwölf,
als Herr Wegener die Haustür öffnete und ihn mit großen Augen ansah. »Haben Sie
ihn gefunden?«, fragte er leise.
Bergheim
schüttelte den Kopf. »Darf ich reinkommen?«, fragte er und folgte Wegener, der
nach seinen Worten in sich zusammengesunken war, ins Wohnzimmer. Frau Wegener,
die in der Sofaecke saß, sprang sofort auf, als sie ihn sah.
»Was …?« Als
Bergheim mit Bedauern abwinkte, sank sie wieder in die Polster und bedeckte das
Gesicht mit den Händen.
Bergheim räusperte
sich. »Kann ich mal mit Ihrer Tochter sprechen?«, sagte er dann.
Frau Wegener
blickte ihn mit geöffnetem Mund fragend an. »Tabea? Aber warum denn noch mal?
Sie hat doch schon mit Ihrem Kollegen gesprochen, oder …?« Sie blickte unsicher
von ihrem Mann zu Bergheim. »Sie ist doch nicht in Gefahr?«, hauchte sie dann
und wurde so blass, dass Bergheim Angst hatte, sie würde ohnmächtig.
»Nein, nein«,
beeilte er sich, sie zu beruhigen. »Ich möchte mir nur selbst ein Bild machen. Ist
sie da?«
»Ja«, sagte
Wegener, »aber sie schläft noch.«
Als Bergheim
schweigend wartete, machte er sich auf den Weg. »Dann werde ich sie mal
wecken.«
Das junge Mädchen,
das zehn Minuten später in Leggings und knielangem T-Shirt verschlafen das
Wohnzimmer betrat, blickte Bergheim missbilligend an. Der seufzte innerlich und
fragte sich, wieso er sich im Moment ständig mit Halbwüchsigen herumplagen
musste.
Tabea war ein
pausbäckiges Mädchen mit hübschen grauen Augen und blondiertem, langem Haar.
Ihr eher kindliches Äußeres versuchte sie durch ein Lippenpiercing
auszugleichen. Sie war offensichtlich geschminkt schlafen gegangen, denn die
Wimperntusche war verschmiert, was ihr einen hilflosen Ausdruck verlieh.
Bergheim fragte sich, wie es wohl sein mochte, eine Tochter zu haben.
Sie ließ sich in
den einen der beiden Polstersessel fallen, zog die Beine an und umklammerte
ihre Knie. »Was wollen Sie denn jetzt noch von mir? Als ob ich wüsste, wo Timon
sich rumtreibt.«
Bergheim hatte
sich gerade gefragt, warum sie ihm so bekannt vorkam. War sie ihm in der Schule
besonders aufgefallen? Er wusste nicht recht, wie er seine Frage stellen
sollte, ohne die Eltern in Aufruhr zu versetzen. Er setzte sich in den anderen
Sessel, während Vater Wegener am Fenster stehen blieb und die Hände knetete und
die Mutter unverändert in ihrer Sofaecke kauerte.
»Ich habe heute
einen sehr merkwürdigen Anruf erhalten«, begann Bergheim. »Jemand hat mir
geraten, mich um dich zu kümmern. Kannst du mir sagen, was derjenige damit
gemeint haben könnte?«
Tabea Wegener
musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen.
»Keine Ahnung«,
sagte sie und warf ihrem Vater einen kurzen Blick zu.
»Was soll denn das
heißen?«, fragte der alarmiert. »Ist Tabea womöglich auch …«
Er sprach nicht
weiter. Bergheim faltete die Hände. »Ich hatte gehofft, Ihre Tochter könnte mir
sagen,
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