Der Teufel von Herrenhausen
was damit gemeint sein könnte.« Dabei blickte er Tabea forschend an.
»Verstehst du dich gut mit deinem Bruder?«
Tabea, die mit
gesenktem Kopf in ihrem Sessel saß, betrachtete ihre Fingernägel.
»Er ist eine
ziemliche Nervensäge.«
»Tabea, wie kannst
du …« Frau Wegener warf die Hände vor den Mund.
»Wie meinst du
das?«, unterbrach sie Bergheim, der die Frau verwünschte.
Tabea verdrehte
die Augen. »Meine Güte, er meint eben, er könnte mich rumkommandieren, nur weil
er der Ältere ist.«
»In welcher
Beziehung?«
»In jeder?«,
erwiderte das Mädchen patzig.
Bergheim seufzte.
»Du hast also keine Idee, was dieser Anruf zu bedeuten hat? Fühlst dich nicht
bedroht oder beobachtet?«, fragte er.
»Nö«, sagte Tabea
und stand auf. »War sonst noch was?«
Bergheim
betrachtete sie einen Moment. Er war sich sicher, dass sie nicht alles sagte.
Dann wandte er
sich an die Eltern. »Können Sie sich erklären, warum jemand bei einem
Ermittlungsbeamten der Kripo Hannover anruft und darum bittet, dass man sich um
Ihre Tochter kümmert?«
Herr Wegener
zuckte mit den Achseln. »Nein, es sei denn, sie ist irgendwie in Gefahr. Oder …«
Er blickte verwirrt zu seiner Tochter, die gelangweilt im Türrahmen lehnte.
»Oder du weißt irgendwie, was hier vor sich geht.«
Herr Wegener ging
auf sie zu, aber das Mädchen schien wenig beeindruckt.
»Weißt du, wo
Timon ist?«, fragte Wegener.
Seine Tochter
blies ihre Wangen auf. »Phh. Wieso soll ich das denn
wissen? Er ist doch euer Supersöhnchen.« Damit wandte
sie sich ab und ging aus dem Zimmer. Wegener wollte ihr nachgehen, aber seine
Frau hielt ihn zurück.
»Lass sie, du
weißt doch, wie sie ist.«
»Eben«, brummte
Wegener, »deswegen.« Dann wandte er sich an Bergheim. »Tabea ist im Moment ein
bisschen schwierig.« Er rang hilflos die Hände. »Vielleicht …«
»Schon gut«, sagte
Bergheim und erhob sich. »Sie hören von uns.«
Er reichte Wegener
die Hand, nickte seiner Frau zu und verließ die Wohnung.
Draußen auf dem
Lister Kirchweg herrschte wie üblich dichter Verkehr. Bergheim stand am
Straßenrand, steckte gedankenverloren die Hände in die Hosentaschen und ging zu
seinem Wagen, der am Straßenrand parkte.
Eins war klar. Mit
diesem Mädchen stimmte etwas nicht. Er würde eine Beamtin anfordern und sie
beobachten lassen.
Eine knappe Stunde
später betrat Bergheim sein Büro. Ostermann hatte wie üblich zunächst Einwände
gegen die Observierung gehabt. Aber in diesem Fall – immerhin war eine
Vierzehnjährige in Gefahr – hatte er sich nicht lange geziert. Die Presse würde
ihn »in der Luft zerreißen«, wenn da irgendwas schiefging. So oder ähnlich
hatte er sich ausgedrückt.
Charlotte, die
gerade aus Sehnde zurückgekommen war, stand an ihrem Schreibtisch und fuhr den
Computer hoch.
»Na, was Neues bei
dir?«, fragte sie, als Bergheim sich setzte.
»Allerdings«,
sagte Bergheim. »Ich hatte einen anonymen Hinweis. Soll mich um die Schwester
des Jungen kümmern.«
»Ach«, sagte
Charlotte. »Und weshalb?«
»Das wüsste ich
auch gern. Die junge Dame wollte es mir jedenfalls nicht verraten. Aber ich bin
sicher, sie hat einen Verdacht.«
In diesem Moment
betrat ein mürrischer Thorsten Bremer das Büro. »Ich hab was gefunden. Kommt
mit.«
Die beiden folgten
ihm in sein Büro, wo Bremer sich umständlich auf seinem Stuhl niederließ.
»Also, die Schulfreundin hieß Cornelia Herrmann und wurde vor siebzehn Jahren
in ihrer Wohnung in Vahrenwald erwürgt. Eine Nachbarin hat sie am nächsten
Morgen gefunden. Die vierjährige Tochter saß mit ihrem Kuschelhasen daneben und
war danach schwer traumatisiert. Hat monatelang nicht mehr gesprochen. Der
Ehemann, Walter Herrmann, wurde verurteilt und bekam lebenslänglich. So, und
jetzt kommt das Beste.«
Er muss es immer
spannend machen, dachte Charlotte, ließ Bremer aber gewähren und wartete
geduldig, bis er sich herablassen würde, sie aufzuklären.
»Er ist draußen.
Seit einem halben Jahr«, sagte er dann mit breitem Grinsen.
Das war allerdings
spannend.
»Und jetzt passt
mal auf!« Bremer ruckte ein bisschen auf seinem Mousepad herum, und eine
Sekunde später blickten Bergheim und Charlotte in ein bekanntes Gesicht.
»Teufel auch«,
entfuhr es Bergheim. »Das ist der Typ, der auf der Hochzeit war.«
»Na, wenn das
nicht eine gute Nachricht ist!«, sagte Charlotte. »Dem Herrn werden wir dann
mal einen Besuch abstatten. Kommst du mit?«, fragte sie mit einem Blick
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