Der Teufel von Herrenhausen
wenigstens nicht danebenbenommen. Und … na also, mir ging es damals
nicht so gut. Meine Ehe war gerade in die Brüche gegangen, und da haben wir uns
öfter gesehen. Sie hatte ja auch Probleme mit Männern.«
»Und«, insistierte
Charlotte, »was war nun konkret der Anlass, den Kontakt abzubrechen?«
Frau Dreier kniff
die Lippen zusammen, entschied sich dann aber doch zu reden. »Sie hat sich an
meinen Freund rangemacht!«, schoss es aus ihr heraus.
Charlotte nickte
und verkniff sich ein Grinsen.
»Soso, und was ist
aus der Geschichte geworden?«
»Was glauben
Sie?«, giftete Frau Dreier. »Der Mann hat sich danach nicht mehr gemeldet. Bei
mir nicht und bei Jutta schon gar nicht.«
»Woher wollen Sie
das so genau wissen?«, fragte Charlotte.
Frau Dreier
blickte sie an wie eine Lehrerin eine begriffsstutzige Schülerin. »Würden Sie
sich noch mal melden, wenn Ihnen jemand im Suff den Anzug vollkotzt?«
Charlotte zuckte
zusammen. Dieses Vokabular hatte sie von einer Matrone nicht erwartet.
»Oh«, sagte sie
dann, »das ist unangenehm.«
»Was glauben Sie,
wie unangenehm mir das Ganze war?«, schnaubte Frau Dreier. »Und so was will
eine Freundin sein! Aber nicht mit mir. Das war das letzte Mal, dass ich mit
ihr gesprochen habe.«
Charlotte nickte
verständnisvoll, obwohl sie sich fragte, ob der Verehrer von Frau Dreier nicht
doch andere Gründe gehabt hatte, sich aus dem Staub zu machen. Ihre
zusammengepressten Lippen zum Beispiel oder ihre lieblosen Augen.
»Können Sie uns
irgendwas über Frau Frieders Bekanntenkreis sagen? Hatte sie sonst noch eine
Freundin?«
Die Matrone
schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur von ihrer Familie. Freunde hatte sie, soweit
ich weiß, keine oder jedenfalls nicht viele. Höchstens ihre Arbeitskolleginnen,
aber die meiste Zeit hat sie zu Hause vor der Glotze gesessen … und getrunken.«
Charlotte fragte
sich langsam, was zum Kuckuck sie eigentlich hier tat. Das war doch eine
Sackgasse. Sie erhob sich, legte ihre Karte auf den Tisch und wandte sich zum
Gehen. Darauf schien Frau Dreier nur gewartet zu haben.
»Wissen Sie«,
seufzte sie affektiert, »irgendwie hab ich mir ja gedacht, dass ihr mal so was
zustoßen würde.«
Charlotte, die
bereits auf dem Weg zur Wohnungstür war, blieb stehen und biss die Zähne
zusammen. Das war ja hier wie in der Grundschule. »Herr Lehrer, ich weiß was!«
Sie brachte ein Lächeln zustande und wandte sich wieder Frau Dreier zu, die
hinter ihr stand.
»Wieso?«, presste
sie hervor.
»Na ja, weil doch
ihre Freundin vor zwanzig Jahren auch ermordet worden ist. Von ihrem eigenen
Ehemann!«
Charlotte
schnappte nach Luft.
»Warum haben Sie
das nicht gleich gesagt?«, fragte sie bedrohlich leise.
Das schien der
Matrone nicht zu gefallen. »Meine Güte, ich dachte, das wüssten Sie!«, empörte
sie sich.
»Wann genau war
das?«, fragte Charlotte scharf.
»Das weiß ich doch
nicht! Bestimmt an die zwanzig Jahre her. Es war eine Freundin aus der Schule.
Hatte Jutta mal erzählt, und der Kerl hätte lebenslänglich gekriegt.«
Charlotte zog
ärgerlich die Stirn kraus. »Wissen Sie sonst noch etwas, das uns weiterhelfen
könnte?«
»Natürlich nicht!
Was fällt Ihnen ein? Das ist wirklich alles, was ich zu dem Thema Jutta Frieder
zu sagen habe. Und jetzt gehen Sie bitte, ich will mit solchen Angelegenheiten
nichts zu tun haben! Am Ende wird man noch selber umgebracht!«
Charlotte verkniff
sich eine zustimmende Antwort und ließ Frau Dreier einfach stehen.
»Was für eine
bornierte Wichtigtuerin!«, schimpfte Charlotte vor sich hin, kaum dass sie
wieder auf der Straße stand. Eine Passantin warf ihr einen verdutzten Blick zu
und beeilte sich dann, wegzukommen.
Dennoch.
Wenigstens war der Besuch nicht umsonst gewesen, dachte sie. Endlich eine Spur.
Sie tippte Bremers Nummer in ihr Handy.
»Thorsten!«, rief
sie, als er sich meldete. »Tut mir leid, deinen Schönheitsschlaf zu stören,
aber es gibt Arbeit.«
Charlotte bat
Bremer, im Archiv nach dem betreffenden Mordfall zu suchen. »Gehen wir erst mal
davon aus, dass es in Hannover oder wenigstens in der Umgebung passiert ist.
Schau in den Papieren nach, auf welche Schule die Frieder gegangen ist … Es muss
eine Schulfreundin von ihr gewesen sein … Ja, ich weiß, dass du das allein
kannst.«
Charlotte steckte
ihr Handy weg und fragte sich, warum Thorsten so schlechte Laune hatte. Dann
fiel ihr ein, dass er und seine Frau ein Campingwochenende bei Thorstens
Schwiegermutter an der
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