Der Teufel von Herrenhausen
nicht so dumm sein, Beweise
zurückzulassen.«
»Ja«, sagte
Charlotte. »Und wir können nichts anderes tun, als seine Akte durchzukauen und
zu warten, bis wir ihn haben.«
»Nette
Wochenendbeschäftigung«, sagte Bergheim. »Lass uns gehen. Ich brauch dringend
was zu essen.«
Charlotte nickte,
und Bergheim kramte sein Handy hervor. »Lass uns zur Lister Meile fahren. Ich
rufe Jan an. Vielleicht hat er ja mal Lust auf ein warmes Essen.«
Zwanzig Minuten
später – sie hatten einen Parkplatz an der Bödekerstraße ergattert – saßen sie
vor der Pizzeria La Perla auf der Lister Meile.
Charlotte hatte
Lasagne bestellt und Bergheim Spaghetti bolognese.
Sie warteten
bereits eine Weile auf ihr Essen, als Jan langsam die Meile entlanggetrottet
kam.
Charlotte
lächelte, als sie ihn sah. Wie sehr er seinem Vater ähnelte. Er war groß und
schlank, hatte ebenmäßige Gesichtszüge und einen wachen Blick.
Ihr Essen wurde
serviert, als Jan sie entdeckte und lässig die Hand zum Gruße hob.
»Hallo, Leute«,
knödelte er und warf sich auf den freien Stuhl.
Bergheim griff
nach seinem Besteck. »Bestell dir, was du willst. Wir fangen schon mal an.«
»Eine Cola«, rief
Jan dem Kellner hinterher und schnappte sich dann die Karte.
Die nächsten drei
Minuten waren alle beschäftigt. Charlotte und Bergheim mit Essen, Jan damit,
die Karte zu studieren. Dann konnte Charlotte sich nicht mehr zurückhalten.
»Wie geht’s
Vivian?«, fragte sie und legte für einen Moment das Messer weg.
Jan sah sie an,
als wisse er nicht, von wem sie rede. Dann schien er sich zu erinnern. »Ach ja,
die Bohnenstange. Stimmt. Die Mutter hat angerufen. Es geht ihr etwas besser.
Ob ich sie mal besuchen könnte«, schnaubte er.
»Und?«, fragte
Bergheim.
Jan sah seinen
Vater erstaunt an. »Echt jetzt?«
»Warum nicht?«,
fragte Bergheim, während er hingebungsvoll seine Spaghetti drehte.
»Keine Zeit«,
sagte Jan und winkte dem Kellner. »Eine Pizza Salami ohne Käse!«, rief er und
verursachte damit einiges Aufsehen.
»Keine Zeit«,
wiederholte Bergheim. »Was hast du denn so Wichtiges zu tun, dass du nicht mal
‘ne Stunde für das arme Mädchen erübrigen kannst?«
»Wieso armes
Mädchen?«, fragte Jan und nahm einen Schluck von der Cola, die ihm der Kellner
hingestellt hatte. »Wenn einer nicht essen will. Selber schuld.«
Ja, so einfach war
das für Teenager, dachte Charlotte und schluckte energisch.
»Fragt sich bloß,
warum sie nicht essen wollen«, sagte sie.
Jan blickte sie
erstaunt an. »Blöde Frage. Weil sie nicht fett werden wollen, natürlich.«
»Und was ist das?
Fett?«
»Na, fett halt«,
sagte Jan. »Und Fette sehen ja wohl bescheuert aus, oder?«
»Und? Ist Vivian
schlank genug? Was meinst du?«
»Tz«, wunderte
sich Jan, »ist mir doch egal, wie die aussieht.«
»Klar«, erwiderte
Charlotte. »Sag ihr das mal, vielleicht isst sie dann wieder.«
Jan tippte sich an
die Stirn. »So bescheuert möchte ich mal sein. Nichts mehr zu essen.«
»Ist doch
eigentlich verrückt«, sinnierte Charlotte, »keine Frau traut sich, ihre
Fettpolster zu zeigen, bloß weil sich dann immer irgendein Lästerer findet.
Dabei ist es doch ganz einfach. Wenn sich alle trauen, sie zu zeigen, fallen
sie gar nicht mehr auf, die Fettpolster. Haben ja alle – mehr oder weniger.«
Bergheim legte
belustigt die Gabel hin. »Da ist was dran. Du solltest unter die Philosophen
gehen«, sagte er, umfasste ihren Nacken und küsste sie auf den Mund.
»Bin ich doch
schon«, lachte sie und warf einen amüsierten Blick auf Jan, der sich über seine
käselose Pizza hermachte, die ein säuerlich blickender Kellner gerade vor ihm
abgestellt hatte.
»Kannst Vivian ja
ein Stück mitbringen, wenn du sie besuchst«, sagte Bergheim und spülte seine
Spaghetti mit einem Schluck Bier hinunter.
Jan hörte für
einen Moment auf zu kauen und starrte seinen Vater ungläubig an.
»Das meinste aber
jetzt nich ernst!«
»Doch«, sagte
Bergheim.
»Seh ich so aus?«,
sagte Jan schlicht und schob sich ein Riesenstück Pizza in den Mund.
Gegen halb sechs
hatte Bergheim einen Termin mit Herrmanns Bewährungshelfer, der sich trotz der
nach seinen Worten »unchristlichen Arbeitszeit« bereit erklärt hatte, Bergheim
in seinem Büro zu empfangen. Es handele sich ja wohl um einen »Notfall«. Der
Mann hieß Grass, hatte volles, lockiges Haar, das irgendwie nicht zu seiner
kleinen und korpulenten Statur passte. Sein schmales Gesicht zierte eine
überdimensionierte
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