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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Hunderte!«
    »Mir ist es einfach nicht sympathisch.«
    Frau Felix suchte einen Augenblick nach einer Antwort. Dann stieß sie hervor: »Sie sind mir auch nicht besonders sympathisch.« Und ging.
alles ok
alles noch sehr neu
das wolltest du ja
und du
alles immer noch sehr alt
    Sonia wanderte am Pool auf und ab und kam sich blöd vor. Fehlte nur noch die Trillerpfeife, und sie wäre Gerbo, Herr Gerber, der gefürchtete Bademeister der Badeanstalt, in der sie als Kind den größten Teil der Sommerferien verbracht hatte. Nie hätte sie sich träumen lassen, daß sie eines Tages weiß gekleidet an einem Beckenrand patrouillieren und Kindern verbieten würde, ins Wasser zu springen oder zu schreien.
    Und jetzt tat sie genau das. Pascal, Dario und Melanie, die drei jüngeren Kinder der Familie Häusermann, vertrieben sich die Langeweile des Regentags im Pool. Sie tobten sich aus, während Lea, die Fünfzehnjährige, auf einer Liege in einer Zeitschrift blätterte und sich von ihren Geschwistern distanzierte. Im Thermalpool stand die alte Frau Professor Kummer bei einer Unterwasserdüse und warf Sonia jedesmal, wenn der Lärm zu laut wurde, einen indignierten Blick zu. »Kinder!« rief Sonia dann jeweils streng, und der Lärmpegel sank für einen Augenblick.
    Wenn es nach Frédéric gegangen wäre, hätte sie heute mindestens ein Kind in Pascals Alter. Im zweiten Jahr ihrer Ehe, lange bevor sie sich in die Hände der Fortpflanzungsmedizin begeben hatte, überraschte Frédéric sie manchmal mit erotischen Abenden. Candlelight, Kaviar und Schmuserock. Sie betrachtete diese Anlässe als etwas hausbackene und nach ihrer Meinung auch überflüssige Bemühungen, Abwechslung in ihr Liebesleben zu bringen, aber sie spielte artig mit. Bis sie einmal zufällig ihren Eisprung errechnete und feststellte, daß er auf den Tag genau mit einem von Frédérics schummrigen Abenden zusammenfiel. Sie rechnete zurück und war nun nicht mehr überrascht, daß dies auch auf die vergangenen Male zutraf.
    Noch immer fand sie das Ganze zwar etwas albern, aber herzig und nahm ihn beim nächsten seiner Candle-light-Dinners ein wenig auf den Arm. Und dabei stellte sich heraus, daß nicht er es war, der das Rechnerische erledigte, sondern Maman. Er lieferte die nötigen Informationen, und sie führte Sonias Fruchtbarkeitskalender! Und gab ihrem Sohn den Tip, an welchem Abend es wieder soweit sei. Wahrscheinlich saß sie zu Hause in der Beerenstraße, stieß mit ihrem Mann mit einem Gläschen ihres schrecklichen Rosés an und drückte die Daumen.
    Sonia war entsetzt und angewidert.
    Sie wußte nicht, was schlimmer war: daß ihre Schwiegermutter ihr Sexleben fernsteuerte oder daß Frédéric nicht wußte, daß er das Sonia nie, nie, unter gar keinen Umständen je hätte erzählen dürfen.
    Sie wurde von einem lauten Platschen aus ihren Gedanken gerissen. Dario hatte schon wieder eine Wasserbombe gemacht. Er nahm Anlauf, sprang ab, zog die Beine an, umfaßte sie mit beiden Armen und schlug als menschliche Kugel im Wasser auf. Sonia stand von ihrem Stuhl auf, stellte sich ganz nah an den Beckenrand, stemmte die Fäuste in die Hüften und sagte streng: »Dario, das reicht.«
    Dario kletterte aus dem Pool und maulte: »Wollte sowieso gehen.« Er trocknete sich ab, legte sich das Frottiertuch über die Schultern und ging. Pascal und Melanie folgten ihm, Lea blieb auf ihrer Liege.
    Sonia setzte sich wieder auf ihren Stuhl und behielt Frau Professor Kummer im Auge. Bald würde sie ihr empfehlen müssen, das Thermalbad zu verlassen und sich in den Ruheraum zu begeben. Zur Schonung des Kreislaufes.
    Das letzte Mal, als sie das gewagt hatte, hatte die alte Frau sie angefahren: »Was geht Sie mein Kreislauf an?«
    Frau Professor Kummer gehörte zum alten Datenstamm, wie Barbara Peters sich ausdrückte. Sie hatte die Adreßkartei des Gamander nach Überlebenden durchsucht, auf den heutigen Stand gebracht und angeschrieben. Das Echo war nicht überwältigend gewesen, aber ein paar Buchungen hatte die Aktion eingebracht. Die Lüttgers aus Hamburg, die seit den sechziger Jahren nie mehr hier gewesen waren; die Lanvins, sie hatte als Kind mit ihren Eltern die Sommerferien hier oben verbracht; und die Häusermanns, bei denen es der Mann war, der das Hotel aus seiner Kindheit kannte.
    Und eben Frau Professor Kummer. Sie mußte gegen neunzig sein, ihr genaues Alter ging nicht aus den Gästeunterlagen hervor. Ebensowenig wie die Herkunft ihres Professorentitels. Dafür stand

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