Der Teufel von Mailand
keine Seglerin. Das sind Leuchtstäbe. Die sind für den Unterwassereinsatz gemacht. Man braucht sie, wenn man in Seenot ist.«
»Wäre es nicht gescheiter, die Polizei zu rufen? Ich finde, das wird langsam unheimlich.«
»Ach was, den Gefallen tue ich denen nicht.«
»Wem?«
»Denen, die dahinterstecken.«
»Sie wissen, wer?«
»Irgend so ein Hinterwäldler aus dem Dorf.«
»Und weshalb?«
»Keine Ahnung. Und wissen Sie, was: Ich will mir darüber auch nicht den Kopf zerbrechen.«
Igor kam zurück. »Nein. Nicht verschlossen, die Tür.«
Barbara Peters nickte grimmig und ließ sich in den Pool gleiten. Wie eine Robbe tauchte sie unter und brachte zwei Leuchtstäbe herauf. Sie waren mit Bleigewichten beschwert, wie sie Fischer benützen. Igor nahm sie ihr ab und steckte sie in einen Müllsack.
Fünfunddreißig Leuchtstäbe waren es am Schluß. »Was mach ich damit?« fragte Igor.
»In den Müll, was sonst?«
Barbara Peters begann ihre morgendlichen Längen zu schwimmen.
Sonia ging die Treppe hinunter. Der dunkle, nur mit dem Notlicht beleuchtete Korridor kam ihr bedrohlich vor. Was, wenn der, der die seltsame Tat vollbracht hatte, sich hier unten versteckt hielt?
Der Zutritt zum technischen Raum befand sich am Ende des Korridors hinter einer Spiegelwand. Sie schob den Spiegel beiseite und öffnete vorsichtig die Tür. Die Wärme der Poolheizung und der Chlorgeruch schlugen ihr entgegen. Sie betrat den Raum und blieb stehen. An der Wand vor ihr glimmten die grünen, gelben und roten Lämpchen der Armaturen. Das einzige Versteck bot der ovale Filterbehälter der Umwälzpumpe. Genau dort befand sich der Sicherungskasten, zu dem sie als erstes mußte.
Sie horchte auf Atemzüge oder auf ein anderes Geräusch, das einen Eindringling verraten hätte. Nichts.
Langsam ging sie ein paar Schritte weiter, bis sie den toten Winkel einsehen konnte. Niemand.
Sie fand den Lichtschalter, und endlich flammte das Neonlicht auf. Jetzt erst spürte sie, wie ihr Herz klopfte.
An der Wand hing eine Anleitung, an welchen Knöpfen man in welcher Reihenfolge drehen, welche Hebel man umlegen und welche Schalter man betätigen mußte. Sie hatte sie im Kopf.
Im Ruheraum lief sanfte Musik. In deren gemächlichem Rhythmus zogen die tropischen Zierfische ihre Kreise durch die Unterwasserflora. Sonia störte die Harmonie mit ein paar Prisen Fischfutter. Auch eine der Frühdienst-Pflichten. Danach träufelte sie Lavendelöl in den Raumbedufter.
Sie inspizierte die Bade- und Behandlungszellen. An einer der Türen war das kleine Chromstahlschild auf »besetzt« gedreht. Sie wollte es gerade umdrehen, da drang aus dem Raum das Weinen eines Kindes.
Sie hatte Frau Felix nicht kommen sehen.
heute früh lagen leuchtstäbe im pool
wozu denn das
keine ahnung 35 stck
ich hätte angst
ich auch
Der Tag ging so irreal weiter, wie er begonnen hatte.
Um zehn Uhr überfiel eine Reisegruppe aus Süddeutschland, alles wellnesserprobte Mittfünfziger, das Gamander mit Gutscheinen für einen römisch-irischen Zyklus. Sie befand sich auf einer, wie es der Veranstalter nannte, »Verjüngungstour« durch die Schweiz, Österreich und Italien. Durch den Vorfall im Thermalbecken und eine Kommunikationspanne im Büro wurden Sonia, Manuel und Frau Felix von der Invasion überrascht. In den sonst so stillen Luft-, Dampf- und Sprudelbädern herrschte Hochbetrieb, und bei der Bürstenmassage hatte sich eine Warteschlange gebildet.
Sonia und Manuel standen wie die Fließbandarbeiter an ihren Massagetischen, jeder mit zwei Bürsten, und bearbeiteten ihre Patienten mit kreisförmigen Strichen. Immer schön von rechts beginnend, von den Extremitäten zum Herzen hin. Jedesmal, wenn sie einen der weißen Körper in einen rosaroten verwandelt und eingeölt hatten, legte sich ein nächster vor sie hin.
Drei Stunden bearbeiteten sie im Akkord sechsunddreißig aufgedrehte Erwachsene, die sich so selbstverständlich in diesem Verlies aus Marmor bewegten, als trügen sie von Geburt an nie Kleider.
Und dann war es vorbei, wie es begonnen hatte. Sonia konnte wieder das Rauschen der vier Wasserfälle von oben hören und die traumverlorenen Klänge der Meditationsmusik.
Sie gingen durch die Räume, sammelten die feuchten Badetücher ein und wischten die nassen Fußspuren auf.
»Erzähl von diesen Leuchtstäben«, bat Manuel später, als sie sich im Personalraum vom Ansturm erholten. Sonia trank Tee, er rauchte, Frau Felix führte die Aufsicht bei den Pools
Weitere Kostenlose Bücher