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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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erschrecken.« Es war Dr. Stahel. Er lag im grünlichen Widerschein der Meeresalgen in ein Frottiertuch eingepackt auf einer Liege.
    »Wie geht es Ihnen?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht. Alles kommt mir so unwirklich vor.« Sonia setzte sich auf eine Liege. »Glauben Sie, das hat mit dem Acid zu tun?«
    » LSD verändert die Biochemie des Gehirns. Es stellt es auf andere Wellenlängen und Empfindlichkeiten ein. Das stammt nicht von mir, das sagt Albert Hofmann. Und der hat das Zeug immerhin entdeckt.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Das, was wir als Wirklichkeit empfinden, entsteht in unserem Kopf. Unser Auge empfängt einen Bruchteil der elektromagnetischen Wellen, die alle Dinge ausstrahlen. Und unser Hirn setzt sie in Farben um.«
    »Kürzlich«, erzählte Sonia, »sah ich einen Regenbogen. Der hatte am Rand seines Spektrums eine Farbe, die es nicht gibt.«
    »Wissen Sie, woraus das Spektrum des Regenbogens besteht? Aus elektromagnetischen Schwingungen zwischen null Komma vier und null Komma sieben Mikrometer. Das Acid hat vielleicht Ihr Gehirn so eingestellt, daß es ein paar Hunderttausendstel mehr sehen kann.«
    »Und diese Veränderung wirkt so lange nach?«
    »Das Gehirn ist ein gelehriges Organ.«
    Sonia sah das Aquarium, das seltsame Licht auf den leeren Liegen und der stillen Gestalt des Doktors. »Das heißt, die Wirklichkeit, die wir sehen, existiert überhaupt nicht?«
    »Im Gegenteil: Es existieren unendlich viele Wirklichkeiten. Und sie schließen sich gegenseitig nicht aus. Sie ergänzen sich zur allumfassenden, zeitlosen, transzendentalen Wirklichkeit. Stammt auch von Hofmann. Kein Hippie, ein anerkannter Naturwissenschaftler.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich im Moment mehr als eine Wirklichkeit verkrafte«, sagte Sonia.
    Im Korridor war es still bis auf das Rauschen der künstlichen Wasserfälle im oberen Stock. Beim Behandlungsraum zwei ging abrupt die Tür auf, und Frau Felix winkte sie herein. Sie schloß die Tür hinter sich und stellte sich herausfordernd vor Sonia hin. Sie war fast einen Kopf kleiner. Sonia sah das nachwachsende Grau ihrer schwarzen Haare und roch die Mischung aus Schweiß und Deo. Durch die dicken Gläser ihrer geschwungenen Hollywoodbrille starrten die vergrößerten Augen sie haßerfüllt an. Sonia spürte, wie die Angst ihren Puls beschleunigte.
    »Wenn Sie noch einmal«, stieß Frau Felix hervor, »versuchen, mir meine Patienten abzujagen, werden Sie den Tag verfluchen, an dem Sie hier heraufgekommen sind.«
    »Wovon reden Sie?« gelang es Sonia zu fragen.
    »Wovon reden Sie? Wovon reden Sie?« äffte Frau Felix sie nach. »Sie wissen sehr genau, wovon ich rede. Nur zu genau.«
    Sie öffnete die Tür und zischte: »Raus jetzt.«
    Sonia gehorchte wie ein gemaßregeltes Kind.
    Manuel stand wieder auf den Füßen. »Was ist los?« fragte er besorgt, als Sonia den Raum betrat.
    Nichts, wollte Sonia antworten. Aber sie brachte nur ein Kopfschütteln zustande. Manuel nahm sie in die Arme, und sie schluchzte los.
    Er war nett. Er fragte nichts, er sagte nichts, er tätschelte ihr nicht tröstend den Rücken. Er hielt sie einfach fest, wartete, bis sie sich ausgeweint hatte, und roch nach einer etwas zu türkisblauen Herrenduftnote.
    Als sie sich von ihm löste, hatte er ein Kleenex in der Hand. Sie schneuzte sich.
    Er schaute sie an und lächelte. Sie gab sich Mühe zurückzulächeln. »Ich glaube, ich kann hier nicht bleiben.«
    Er schwieg immer noch, aber sein Lächeln war jetzt bedauernd.
    »Aber zurück kann ich auch nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Vielleicht hätte ich dort bleiben können. Aber dorthin zurück – nein, das schaff ich nicht.«
    Am Nachmittag hörte sie ein Husten im Heißluftbad. Sie hatte niemanden kommen hören und schaute nach.
    Herr Casutt saß auf einer Granitstufe. Er war unrasiert und nackt. Der Raum roch nach Hochprozentigem. Als sie hereinkam, stand er auf.
    »Herr Casutt?«
    Hager, mit rundem Rücken und eingefallener Brust stand er vor ihr. Seine Augen glänzten glasig über den gebleckten Zähnen. Er atmete schwer in der glühenden Luft. »Sehen Sie jetzt, wie nett sie ist«, stieß er hervor.
    »Sie sollten nicht hier sein.«
    »Hier kann jeder sein, der Eintritt zahlt.«
    »Es ist nicht gut für Ihren Kreislauf. Sie haben getrunken.«
    »Nicht gut fürs Geschäft, ein toter Nachtportier im Irisch-Römischen. Ein abgekratzter Exnachtportier! Nicht gut fürs Renommee.« Casutt setzte sich wieder und blickte sie herausfordernd an.
    Sonia

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