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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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ging in den Personalraum und holte Manuel. Aber auch ihm gelang es nicht, den betrunkenen Portier zur Vernunft zu bringen. Kurz bevor Manuel handgreiflich wurde, ging die Tür auf. Frau Felix kam herein, hielt Casutt ein Frottiertuch hin und sagte ganz ruhig: »Fertig jetzt.«
    Casutt nahm das Tuch, stand auf, schlang es um die Hüften und ging.
    Im Korridor stand Frau Professor Kummer im giftgrünen Badeanzug, die welke Haut wie plissiert.
    Einer der behaglichsten Räume des Gamander war das Lesezimmer. Es besaß ein großes Bogenfenster im Jugendstil, von dem aus man auf die Föhren und Lärchen sah, die das Grundstück begrenzten. Zwei der Wände bestanden aus Büchergestellen, die im gleichen Stil wie die duftende Arventäfelung gefertigt waren, und auch die Polstermöbel gehörten ins ursprüngliche Gesamtkonzept des Raumes: zwei in die Wandtäfelung eingefügte Sofas und eine Anzahl dazu passende Lesefauteuils. An der Wand mit der Tür hingen Fotos aus der Bauphase und den Gründungsjahren des Gamander. Mit der Kutsche ankommende Gäste, für den Bunten Abend verkleidete Gäste, eislaufende Gäste und Gruppenbilder mit Köchen, Kellnern, Wäscherinnen und Zimmermädchen. Über der Tür hing ein großes Kruzifix, das ebenfalls aus der ursprünglichen Einrichtung stammte, denn es paßte genau in einen in die Täfelung eingelassenen Alkoven. Die einzige Konzession an die Gegenwart bestand aus ein paar Halogenleselampen, welche die Originalbeleuchtung angenehm ergänzten.
    Die Bücherregale enthielten ein Sammelsurium aus von Gästen zurückgelassener Ferienlektüre aus acht Jahrzehnten und einer kleinen, fachmännisch zusammengestellten Bibliothek ladenneuer Hardcover und Taschenbücher in mehreren Sprachen.
    Sonia betrat den Raum, weil Manuel sie gebeten hatte, seinen ausgelesenen Maigret gegen einen neuen zu tauschen. Er hatte Spätdienst bis acht und langweilte sich in der menschenleeren Wellness-Anlage.
    Der einzige Gast des Leseraums war einer der Häusermann-Jungen. Er saß in einem Polstersessel und fingerte auf einem Gameboy herum, der aufgeregte elektronische Töne von sich gab. Er beachtete Sonia nicht.
    Schnell fand sie die lange Reihe der Maigret-Buchrücken, entschied sich für »Hier irrt Maigret« und stellte den mitgebrachten an seinen Platz zurück.
    Auf einem Beistelltisch neben einem Sessel, an dem sie sich vorbeidrücken mußte, lagen ein paar Bücher, als wäre jemand beim Schmökern gestört worden. Eines war aufgeschlagen, die andern lagen übereinander daneben. Der Titel des obersten rief bei ihr ein Bild ab: vier Wörter in der staubigen Tür einer schwarzen Limousine.
    Sonia nahm das Buch vom Stapel. Es war alt und abgegriffen. »Der Teufel von Mailand«, war in abblätternden Goldbuchstaben auf den tannengrünen Leinenumschlag geprägt. Und darunter etwas kleiner: »und andere Alpensagen«.
    Sonia nahm das Buch mit.
    »Er ist.«
    »Er ist nicht.«
    »Warum spielt er dann Zara Leander?«
    »Er spielt es für dich, Sonia.«
    Sie saß mit Manuel in der Bar. Barbara Peters hatte sie dazu ermuntert. Getränke zum Mitarbeitertarif, hatte sie gesagt, denn nichts sei deprimierender als eine leere Bar mit einem Pianisten.
    Der Mann am Flügel hatte kurz aufgeschaut, als sie die Bar betraten, und danach wieder zu seiner eigenen Unterhaltung gespielt. Er hieß Bob, Bob Legrand aus Kanada. Das hatte Manuel im Büro herausgefunden. Er hätte ihn auch selber fragen können, aber er wollte nicht, daß es aussah, als wollte er Bob anbaggern.
    »Warum nicht?« hatte Sonia gefragt. »Du willst ihn ja anbaggern.«
    »Nein«, hatte Manuel geantwortet, er wolle, daß Bob ihn anbaggere.
    Davon schien Bob allerdings weit entfernt. Er saß am Flügel und lauschte tief in Gedanken der Musik, die seine Hände spielten.
    »Weshalb habt ihr euch getrennt, dein Mann und du?«
    Sonia trank ihr Champagnerglas leer und hielt es in die Höhe. Der Barman nickte.
    »So lang, die Geschichte?« fragte Manuel.
    »So langweilig.«
    »Erzähl.«
    »Es war wie bei den meisten: Wir haben uns entfremdet. Nein, stimmt nicht: Wir waren uns immer fremd. Wir haben nach und nach gemerkt, daß wir uns fremd waren.«
    »Beide?«
    »Ja. Aber nur ich habe es zugegeben. Für ihn war es nicht wichtig. Ich glaube, ihm war es sogar lieber. Ein Leben, wie er es sich vorstellte, kann man nur mit einer Fremden führen.«
    »Was für ein Leben?«
    Vanni brachte eine neue Champagnerflûte.
    »Ein Leben nach außen. Wie alle seine Freunde. Wie

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