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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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du hin?«
    »Zu ihr.«
    Barbara Peters war noch in ihrer Wohnung. Sonia rief sie von der Rezeption aus an, sie müsse sie dringend sprechen.
    »Geht es um den Vogel?« fragte die Chefin.
    »Nein, um Sie.«
    Sie nahm den Lift in den dritten Stock und klingelte an der Tür zur Turmwohnung. »Ganz oben«, sagte Barbara Peters’ Stimme durch einen kleinen Lautsprecher unter dem Klingelknopf. Der Öffner surrte.
    Sonia trat ein und stand auf einem kleinen Treppenabsatz. Eine Wendeltreppe führte hinauf.
    Im ersten Stock roch es nach Badezimmer. Shampoos, Seifen, Lotionen, Sprays, Deodorants, Parfums. Drei Türen gab es hier. Durch eine sah Sonia ein ungemachtes Bett und die Hälfte eines Fensters.
    Hinter einer anderen offenen Tür sah sie eine weitere Wendeltreppe. »Hier oben!« rief Barbara Peters. Sonia ging weiter die Treppe hinauf und trat durch eine Bodenluke in den Wohnraum. Er war groß und rund, in regelmäßigen Abständen befanden sich neun Fenster, schmal wie Schießscharten. Gegen Süden ging eine Tür auf eine schmale Zinne, die um den Turm führte. Der Raum besaß keine Decke, man sah das Gebälk bis hinauf zum Giebel.
    Sonia hatte erwartet, daß Barbara Peters’ Wohnung im gleichen Stil eingerichtet sein würde wie ihr Büro – zweckmäßig und cool, mit Möbeln aus den zwanziger Jahren. Aber was sie antraf, war das Gegenteil: Die Wände des Turmzimmers waren in einem warmen, tiefen Rot gestrichen, das von der Untertäfelung des Daches aufgenommen wurde und zum Giebel hinauf in einem immer dunkler werdenden Verlauf fast schwarz endete. Die Dachbalken waren golden gestrichen.
    Das Parkett aus fast schwarzem Tropenholz war bedeckt von Orientteppichen, das Mobiliar eine Mischung aus ägyptischen Ottomanen und französischen Stilmöbeln von Louis XIV bis Louis Philippe. Überall Muranoleuchter, marokkanische Messinglampen mit bemalten Scheiben, zu Tischlampen umgebaute vergoldete Kerzenständer mit seidenen Schirmen. Die Wände waren voller goldgerahmter Spiegel, Daguerreotypien englischer und französischer Landschaften, kleiner Kinderporträts in Öl oder Wasserfarbe. Keine Ablagefläche, auf der nicht Nippes stand. Porzellanfiguren, Muscheln, Dosen, Schatullen, Flakons, Schnitzereien, Puppen, Spielsachen. Das bißchen Licht, das durch die kleinen Fenster drang, war abgeschirmt und gefiltert durch Paravents, Markisen, Tüllgardinen und Vorhänge aus verschwenderischen Seidenstoffen.
    Bango, Frau Peters’ Cockerspaniel, begrüßte Sonia aufgeregt am Treppenabsatz. Weil sein kupierter Schwanz zu kurz zum Wedeln war, schwang er sein ganzes Hinterteil wie eine Hula-Tänzerin.
    Die Hausherrin erwartete sie stehend. Sie war in dem Bademantel, den sie immer trug, wenn sie am Morgen zum Schwimmen ging. »Igor hat es mir gesagt. Es tut mir leid. Ich werde Ihnen das Tier selbstverständlich ersetzen.«
    Vielleicht hätte diese Begrüßung weniger schroff geklungen, wenn sie nicht in dieser Szenerie überbordender Empfindsamkeit ausgesprochen worden wäre. Aber so ließ sie Sonia für einen Moment sprachlos.
    Barbara Peters merkte, daß sie nicht den richtigen Ton gefunden hatte. Sie ging auf Sonia zu und drückte sie stumm an sich. Dann bot sie ihr einen Sessel an und setzte sich ihr gegenüber.
    »Es geht um Sie«, sagte Sonia.
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    Und Sonia erklärte es. Erzählte ihr das Fragment der Sage vom Teufel von Mailand und rezitierte die Verse der sieben Zeichen. Barbara Peters hörte zu, mehr höflich als interessiert, wie es Sonia schien. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und saß aufrecht in einem kleinen Louis- XV -Fauteuil, ohne dessen Rückenpolster zu berühren.
    Als Sonia fertig war, sagte Barbara Peters: »Es würde mich nicht überraschen, wenn Sie recht hätten.«
    Sonia hatte insgeheim gehofft, Barbara Peters würde die Theorie als Produkt ihrer übersteigerten Phantasie abtun.
    »Wenn Sie wüßten, was für Streiche man mir gespielt hat, seit ich das Hotel gekauft habe. Acht Einsprachen gegen den Umbau. Wochenlang haben wir mit Generatoren arbeiten müssen, weil man uns eine Strompanne vorgetäuscht hat. Immer wieder wurden die Betonmischer durch umgestürzte Bäume, liegengebliebene Landwirtschaftsfahrzeuge und andere seltsame Hindernisse aufgehalten. Es ist wirklich gut möglich, daß diese kindische Geschichte auf das Konto der gleichen Leute geht.«
    »Und was wollen Sie jetzt unternehmen?«
    »Das gleiche wie bisher: nichts. Man darf denen nicht den Gefallen

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