Der Teufel von Mailand
Sonia legte die linke Hand unter seinen Nacken und knetete sanft. Die rechte legte sie auf die Stirn und gab etwas Druck, während sie mit der linken den Kopf ein wenig anhob. Sie nahm den Druck weg, wartete ein paar Sekunden und wiederholte den Vorgang.
Aus den Lautsprechern klangen die fremdartigen Schreie seltener Vögel. Der Raum duftete nach dem Zitronella des Massageöls. Sie strich Dr. Stahel leicht über die Stirn, erst mit der Linken, dann mit der Rechten. Zuerst schnell, dann immer langsamer. »Glauben Sie, daß es in einer der vielen Wirklichkeiten den Teufel gibt?«
Dr. Stahel gab keine Antwort. Er war eingeschlafen.
beachte meine neue handynummer
was ist mit der alten
handy verloren
wie das
oder geklaut wie gehts
pavarotti ist tot
was hatte er
ertränkt
hä
im aquarium
komm runter
ja
wann
morgen
Sie hatte vorgehabt, den Abend im Zimmer zu verbringen und die Nacht mit einem von Manuels Temesta zu überstehen. Aber eine halbe Stunde nachdem sie es genommen hatte, war die Angst weg und die Einsamkeit wieder da. Sie packte aus dem Koffer das Kleid, das Malu »das zu kleine Schwarze« nannte, weil es etwas kurz und körperbetont war, und rief Manuel in seinem Zimmer an. »Ich habe meine Meinung geändert.«
»Du bleibst?«
»Nein, ich komme zu einem Abschiedsdrink in die Bar.«
»Abschied von wem?«
»Von dir.«
»Quatsch.«
Aber eine Viertelstunde später klopfte er an ihre Tür und holte sie ab. Er trug ein Hemd mit einem Kosakenkragen und zuviel Eau de toilette. Als sie die Tür öffnete und er ihr Kleid sah, bemerkte er: »Wenigstens einer von uns beiden ist hochgeschlossen.«
Es war schon nach zehn, als sie die Bar betraten. Dr. Stahel saß wie immer allein am Tresen und wechselte ab und zu ein paar Worte mit Vanni. Die vier Bekannten von Barbara Peters saßen an einem Tischchen. Sie selbst fehlte. Sie habe überraschend nach Mailand fahren müssen und komme erst morgen wieder, hatte man Sonia im Büro erklärt, als sie sie dringend sprechen wollte.
Bob, der sonst beim Spielen seine Umgebung zu vergessen schien, hatte zur Tür geschaut und ihr zugenickt. »Du wirst schon erwartet«, hatte Manuel etwas giftig bemerkt. Sie setzten sich an ein Tischchen und bestellten zwei Gläser Champagner.
»Benzodiazepin und Alkohol, nicht die ideale Kombination«, bemerkte Manuel beim Anstoßen.
»Auf Pavarotti«, erwiderte Sonia.
»Auf Pavarotti.«
»Du bist also fest entschlossen«, konstatierte Manuel.
Sonia nickte. Obwohl das nicht stimmte. Unter dem Einfluß von Benzos gab es so etwas wie feste Entschlossenheit nicht. Da war ihr so ziemlich alles egal. Sie konnte hier sitzen und auf Pavarotti anstoßen und es schrecklich finden, was ihm zugestoßen war, aber es berührte sie nicht. Es war weit weg.
Ihr war klar, daß sie sich entschlossen hatte abzureisen, weil sie Angst hatte. Aber sie wußte im Moment nicht, wie es sich anfühlte, Angst zu haben. Nein, der Entschluß war zwar gefaßt, aber sie war nicht fest entschlossen.
Eine Stunde später waren nur noch Vanni, Bob und sie in der Bar. Dr. Stahel war als erster gegangen. Er war an den Tisch gekommen, um sich zu verabschieden. Sonia hatte ihm Manuel als ihren Nachfolger vorgestellt, und er hatte gefragt: »Machen Sie auch so wunderbare Katermassagen?«
»Noch bessere«, hatte Sonia ihm versichert. Als Dr. Stahel gegangen war, erklärte sie Manuel, was eine Katermassage war.
Kurz darauf waren die beiden Paare gegangen. Und nach einer kleinen Höflichkeitspause hatte Manuel gefragt: »Gehen wir jetzt beide und du kommst zurück, oder bleibst du einfach sitzen?«
Sie war einfach sitzen geblieben. Bob hatte einen Song angestimmt, dessen Melodie ihr bekannt vorkam, dessen Text sie aber zum ersten Mal beachtete.
I’m in the mood for love
Simply because you’re near me
Funny, but when you’re near me
I’m in the mood for love
In den Anblick ihres fast leeren Glases versunken, lauschte sie der verrauchten Melodie und dem mit französischem Akzent mehr angedeuteten als gesungenen Text.
If there’s a cloud above
If it should rain, we’ll let it
But for tonight forget it
I’m in the mood for love
Es folgten einige zögerlich dahinplätschernde Schlußakkorde, und sie wußte, daß sie nur noch den Kopf heben und zu ihm hinüberlächeln mußte.
Sie tat es.
Einmal in dieser Nacht erwachte sie und wurde sich bewußt, daß die Wirkung des Temestas nachgelassen hatte. Es war ihr nicht mehr alles egal.
Sie ließ ihre Hand über seine glatte Brust
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