Der Teufel Von Muenster
Jennifer hat dieses Plakat auf einem Flohmarkt gekauft.«
»Glaube ich nicht.«
»Ich auch nicht, Frau van der Pütten. Jennifer hatte den Schrank voller ›Gewandungen für die Maid‹, wie man sie in diversen und einschlägigen Internetshops kaufen kann, wenn man das Bedürfnis hat, als Erwachsene noch Burgfräulein zu spielen …«
»Ah, ich merke, Sie haben inzwischen zum Thema recherchiert.«
»Ein paar Klicks im Netz nenne ich noch keine Recherche.«
»Besser als nichts.«
»Was ich sagen wollte, ist: Wieso hat Sie von dem Plunder nichts angezogen, als sie nach Telgte fuhr? Ich meine, wenn es einen passenden Ort gegeben hätte, um die Sachen zu tragen, dann doch wohl dort, oder irre ich mich?«
Anna zuckte mit den Schultern. »Das Plakat ist sieben Jahre alt. Sie war offenbar schon damals mit der Mittelalter-Szene verbunden. Aber manchmal ändert sich der Geschmack oder das Leben oder beides.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Na ja, inzwischen wurde Jennifer Bankkauffrau, lief wahrscheinlich in gediegener Businesskleidung herum und trug Faltenrock und Bluse anstatt ›Gewandung‹. Manchmal versucht man sich von der Allgemeinheit erst abzuheben und findet das dann später mehr und mehr überflüssig, kann sich aber von den Accessoires der Protestphase trotzdem nicht trennen.«
»So wie die alten Opas in ihren Easy-Rider-Lederjacken, die man manchmal sieht.«
»Genau. Das ist natürlich alles nur Spekulation. Wir können Jennifer Heinze ja leider nicht mehr fragen.«
Haller wühlte etwas in dem Kleiderschrank herum, räumte mit einer weit ausholenden Bewegung einen Großteil der langen, bis zum Boden reichenden Kleider und Mäntel zur Seite, und was dann zum Vorschein kam, ließ sie beide staunen.
Haller bückte sich und hob eine Maske nach Art eines mittelalterlichen Pestarztes hoch.
»Der Schwarze Tod scheint uns wirklich zu verfolgen«, stellte er mit galligem Unterton fest.
Der Freak aus Kattenvenne
Als Anna van der Pütten und Sven Haller bei den Heinzes in Ladbergen fertig waren, fuhren sie nach Kattenvenne, um mit Timothy Winkelströter zu sprechen. Die Adresse herauszufinden war nicht allzu schwierig. Haller brauchte dazu noch nicht einmal im Polizeipräsidium in Münster anzurufen, um seine Kollegen zu bitten, das zu ermitteln. Er hatte sein Laptop dabei, ging damit über einen Stick ins Internet und hatte die Adresse wenig später gefunden.
Timothy Winkelströter wohnte in einer Einliegerwohnung, die in einem zweistöckigen Haus mit Walmdach lag. Das Haus schätzte Haller auf gut hundert Jahre, auch wenn es gut in Schuss war. Es hatte einige kleine Erker, und die Wände waren von wildem Wein überwuchert. Im Zeitalter der roten Verklinkerung hätte der Bauherr wohl niemals die Genehmigung für den Bau dieses Hauses bekommen, insofern verdankte es seine Errichtung der Gnade des frühen Baubeginns.
Winkelströter war allerdings offenbar nicht zu Hause. Auf das Klingeln an seinem Schild reagierte auch nach dem fünfzehnten Mal niemand.
Stattdessen öffnete der im Haus wohnende Vermieter die Tür. Dem Türschild zufolge lautete sein Name Möller.
»Der ist nicht da«, sagte er.
»Kripo Münster. Wir wollen zu Herrn Winkelströter.«
»Hab ich kapiert«, sagte Möller. Er war von mittlerem Alter und trug ein kariertes Hemd, das ihm vielleicht vor zwanzig Jahren mal gepasst hatte, dessen Knöpfe jetzt aber zum Zerreißen gespannt waren. »Iss abba nich da.«
»Ist das Ihr Haus?«
»Jooo.«
»Wann kommt Herr Winkelströter denn zurück?«
»Weiß nich.«
»Heute noch?«
»Kann sein. Kann auch nich sein. Immer unterwegs. Hatt ’n Geländewagen – fallse ihn verfolgen wollen.«
»So dringend ist es auch nicht. Aber vielleicht rufen Sie uns an, sobald er auftaucht – oder noch besser: Sie sagen ihm, dass er sich dringend bei uns melden soll!«
Haller gab ihm seine Karte.
Der sah mit einem Stirnrunzeln darauf.
»Kannnixsehen«, sagte er. »Keine Brille.«
»Schon gut«, murmelte Haller resignierend. Er warf Anna einen Blick zu, der zu sagen schien: Ja, so steht es wirklich mit der berühmt-berüchtigten Mithilfe der Bevölkerung.
»Sachihmabbabescheid«, versprach der Hauseigentümer.
»Danke, sehr nett von Ihnen«, meinte Haller.
Als sie zum Wagen zurückgingen, verdrehte er die Augen.
***
Anna van der Pütten gähnte. Es war Sonntagabend. Sie befand sich seit dem späten Nachmittag in einem der Konferenzräume des Münsteraner Polizeipräsidiums, der zum Lagezentrum
Weitere Kostenlose Bücher