Der Teufel Von Muenster
Resultat schlechten Sitzmobiliars war.
Der Zeuge hatte schon Platz genommen. »Ich bin Timothy Winkelströter«, sagte er. »Herr Möller hat mir gesagt, dass ich mich bei Ihnen melden soll.«
»Das ist richtig«, bestätigte Haller und setzte sich. Er stellte seine Kaffeetasse ab und plemperte dabei. »Wollen Sie auch einen Kaffee?«
»Nein. Es geht um Jennifer, nehme ich an.«
»Ja. Sie waren Ihr Freund?«
»Also, wie soll ich sagen?«
»Ja oder nein. Das ist doch nicht allzu schwierig.«
Timothy Winkelströter beugte sich vor. Anna musterte ihn dabei. Er trug einen langen Ledermantel, der fast bis zu den Knöcheln reichte. Seine Finger waren von Ringen besetzt. Um den Hals hing ein Amulett mit verschnörkelten Schriftzeichen, die Anna entfernt an die magischen Runen erinnerten, die auf Branagorns Schwertscheide zu sehen waren. Seine Haare reichten bis weit über die Schultern und waren ziemlich strähnig.
»Die Sache ist die: Wir hatten eigentlich Schluss gemacht. Oder noch genauer gesagt: Ich hatte mit ihr Schluss gemacht, weil sie genervt hat.«
»Hm«, meinte Haller. »Wann war das?«
»Das war am Freitag vor acht Tagen. Wir haben uns dann einige Zeit nicht gesehen, und als ich am Samstag zum Mittelalter-Markt nach Telgte gefahren bin …«
»Sie waren also dort?«, unterbrach ihn Haller.
»Ja, sicher.«
»Fahren Sie bitte einfach fort«, ermutigte ihn Anna, denn sie hatte das Gefühl, dass sich Haller nicht gerade einen günstigen Augenblick ausgesucht hatte, um den Gesprächsfluss seines Gegenübers zu stören.
Timothy Winkelströter schluckte. »Einen leckeren Met haben Sie nicht zufällig, oder?«
»Tut mir leid«, meinte Haller. »Kaffee oder Wasser, mehr gibt’s hier nicht.«
»Dann lassen Sie es besser. Ich will mich ja nicht vergiften.«
»Wie kam es, dass Sie doch mit Jennifer Heinze zum Markt gefahren sind?«, ging Anna nun dazwischen und wunderte sich selbst über ihre Ungeduld, die eigentlich jeglichen Konventionen ihres Berufsstandes widersprach.
»Das habe ich doch noch gar nicht gesagt«, wunderte sich Timothy.
»Nein, aber ich habe es angenommen.«
Timothy seufzte. »Wie gesagt, ich war auf dem Weg nach Telgte, sie hat mich auf dem Handy angerufen und gesagt, sie sei auch auf dem Weg dorthin. Und ob wir nicht noch mal über alles reden könnten und so. Na ja, ich bin ja kein Unmensch. Wir hatten ja auch schöne Zeiten. Also haben wir einen Treffpunkt an einem Parkplatz vereinbart, sie ist in meinen Wagen eingestiegen, und wir sind zum Markt gefahren.«
»Wie ging es dann weiter?«, fragte Anna. Ihr fiel eine Tätowierung am Unterarm auf, als der Ärmel seines Mantels etwas hochrutschte. Es war ein Stierkopf auf einem Kreuz. Irgendwo hatte sie dieses Zeichen schon einmal gesehen, konnte es aber im Moment nicht recht einordnen. Aber kultische Geheimlehren waren ebenso wenig ihr Spezialgebiet wie die alchemistischen Geheimzeichen des Mittelalters oder was auch immer Timothy Winkelströter sonst als Vorlage für diesen leider ziemlich dauerhaften Körperschmuck gewählt hatte.
»Tja, ich will nicht drumrumreden«, sagte Timothy.
Drumrum – dieses eine Wort wies ihn als jemanden aus, der in dieser Gegend geboren und aufgewachsen war. Anna war erst während ihres Studiums in Köln aufgefallen, dass man daran münsterländische Landsleute in der Fremde erkennen konnte. Drumrum und drumzu – zwei akustische Erkennungszeichen, die jeden Münsterländer so eindeutig identifizierten, wie das »Woll« den Sauerländer. Anna hatte sich bis dahin immer eingebildet, reines Hochdeutsch zu sprechen, und es war ihr erst in dem Moment klar geworden, als sie einen Kommilitonen, der, wie sich herausstellte, aus Emsdetten kam, diese beiden Worte benutzen hörte, die sie bis dahin ebenfalls bedenkenlos gebraucht und sich danach mühsam abgewöhnt hatte.
Nach seiner verheißungsvollen Ankündigung, nicht »drumrumreden« zu wollen, schwieg Timothy Winkelströter allerdings erst einmal eine Weile. Er wirkte plötzlich in sich gekehrt, und seine Hand umfasste das Amulett mit den Runen, so, als würde er sich davon irgendeine Art von Schutz oder Stärkung erhoffen. Der Stierkopf auf dem Kreuz an seinem Arm wurde dadurch sehr gut sichtbar, sodass Anna jede Einzelheit daran erkennen konnte.
»Wann haben Sie Jennifer denn zuletzt gesehen?«, fragte Anna jetzt behutsam. Ihre Stimme hatte einen samtweichen Klang. Sie hatte sich diesen Tonfall für schwierige Therapiesituationen angewöhnt. Er half
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