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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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früher genannt, sie durchschnitt das Münsterland wie ein gebogener Dorn und hatte außer einigen tausend Unfalltoten auch ein paar kleinere Baggerseen hinterlassen, wie zum Beispiel die Buddenkuhle in Ladbergen.
    Haller nahm die Ausfahrt.
    »Sie haben gar nicht Ihr Navi eingeschaltet«, stellte Anna fest.
    »Brauche ich nicht. Ich komme von hier.«
    »Aus Ladbergen?«, fragte sie und betonte dabei das Wort auf der vorletzten Silbe.
    »Nein, aus Ladbergen«, widersprach Haller und betonte die erste Silbe. »Allein an der Aussprache hört man schon, dass Sie nicht aus Ladbergen kommen.«
    »Das sind eben die kleinen Unterschiede.«
    »Na ja, streng genommen bin ich auch ein Zugezogener. Meine Eltern haben hier in den Siebzigern gebaut, weil das Land so billig war. Und ganz ehrlich: Zuerst haben wir auch Lad ber gen gesagt.«
    »Na, da bin ich ja beruhigt.«
    »Im Übrigen sind die Auswärtigen schon seit Langem in der Mehrheit.«
    »Na ja, Ladbergen war für mich bisher immer nur eine Ausfahrt an der Autobahn, wenn ich zwischendurch mal in den westfälischen Landeskliniken in Lengerich zu tun hatte«, meinte Anna. »Ist ja vielleicht auch nicht gerade eine Weltstadt.«
    »Sagen Sie so etwas nicht! Nicht über die Heimat von Neil Armstrong!«
    »Wie bitte?«
    »Ja, wussten Sie das nicht? Die Vorfahren von Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond, stammen aus Ladbergen. Ich habe in der Schule neben jemandem gesessen, der mit Armstrong verwandt war. Etwas weitläufig natürlich.«
    »Dann dürfte hier ja einiges los gewesen sein, als Armstrong vom kleinen Schritt für einen Menschen und vom großen für die Menschheit sprach und einen Fußabdruck hinterließ.«
    »Und Sie denken, dass ich alt genug sein müsste, um das noch erlebt zu haben?«
    »Haben Sie nicht?«
    Haller erreichte die Kreuzung und bog von der Saerbecker Straße in die Lengericher Straße, vorbei an einer Tankstelle auf der rechten Seite.
    »Ich war vier«, sagte Haller. »Und wir sind erst ein Jahr später hierhergezogen.«
    »Dann haben Sie das verpasst.«
    »Nein. Mein Freund in der Schule sagte, dass gar nichts los gewesen sei, als Neil Armstrong den Mond betrat.«
    »Ach!«
    »Es war Schützenfest. Und das war wichtiger! Überall haben sich die Leute die Mondlandung im Fernsehen angesehen. Mein Vater hatte extra einen Bunt-Fernseher gekauft. Eine Riesenkiste! Nur in Ladbergen-Wester hat niemand hingesehen, denn was ist schon eine Mondlandung, wenn man zum Schützenfest gehen kann?«
    Anna lachte. Und Haller, der sonst eher verkniffen dreinsah, lächelte zumindest kurz.
    Vielleicht reden wir nur so viel, weil wir uns von der äußerst unangenehmen Aufgabe ablenken wollen, die vor uns liegt, dachte Anna. Es war niemals Routine, den Angehörigen eines Mordopfers zu begegnen. Für keinen Polizisten und auch nicht für jemanden, der Psychologie studiert hatte. Es gab eben einfach Situationen, da hatte jegliches Bemühen um professionelle Distanz seine Grenzen.
    Haller bog noch mal ein und anschließend ein weiteres Mal. Anna hatte längst die Orientierung verloren. Sie befanden sich in einer Siedlung mit schmucken Einfamilienhäusern. Alle rot verklinkert, mit grauweißen Fugen. Für architektonischen Firlefanz boten die strengen Bauvorschriften keinen Platz.
    Schließlich bemerkte Anna das Schild mit der Aufschrift »Lerchenweg«. Vor einem der rot verklinkerten Bungalows stellte Haller den Wagen ab.
    »Hier ist es«, sagte er knapp.
    »Tja …«
    »Zum Glück war schon ein Kollege hier und hat den Eltern von Jennifer Heinze die traurige Nachricht überbracht.«
    »Das heißt keineswegs, dass für uns die Aufgabe jetzt angenehmer wird«, wandte Anna ein.
    »Stimmt«, musste Haller zugeben. »Für einen Sonntagvormittag kann ich mir wirklich Schöneres vorstellen, als mit den Eltern eines Mordopfers unangenehme Fragen zu erörtern.«
    »Es wundert mich, dass sich bisher niemand gemeldet hat, der mit ihr zusammen auf dem Mittelalter-Markt in Telgte war«, sagte Anna. »Wir haben doch auch keinen Wagen gefunden, der zu dem Schlüssel passt, den sie bei sich trug.«
    »Das mit dem Wagen wundert mich auch«, sagte Haller. »Aber wieso sollte sie nicht allein zu dem Markt gefahren sein?«
    »Weil die meisten, die ich da gesehen habe, eindeutig in Gruppen gekommen waren. Man verkleidet sich, geht zusammen über den Markt, kauft sich ein paar Sachen, die man unbedingt glaubt, haben zu müssen und die das eigene Mittelalter-Feeling etwas auf Vordermann

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