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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Gelegenheit dazu gehabt, dies im Einzelnen zu überprüfen. Davon abgesehen hatte es natürlich auch während ihrer Sitzungen immer wieder Momente gegeben, in denen seine außergewöhnlichen Fähigkeiten aufblitzten. Es gab Savants, die Dutzende von Sprachen innerhalb kürzester Zeit erlernten, die in der Lage waren, mit jedem Auge unabhängig eine Buchseite zu erfassen und anschließend jedes Wort zu wiederholen oder virtuos Klavier zu spielen vermochten, ohne jemals Unterricht gehabt zu haben. Niemand kannte die Ursache dafür, aber sehr viele der Betroffenen waren trotz ihrer überragenden Fähigkeiten im täglichen Leben auf Hilfe angewiesen.
    In den Unterlagen, die Anna über Frank Schmitt vorliegen hatte, war unter anderem von einer Kopfverletzung die Rede, deren Ursache vermutlich eine Gewalteinwirkung gewesen war und die aus unerfindlichen Gründen unbehandelt geblieben war. Zumindest gab es nirgends einen Beleg für einen Klinikaufenthalt oder dergleichen.
    Auch das passte ins Bild, denn manche Forscher brachten das Savant-Syndrom mit Verletzungen bestimmter Hirnregionen in Verbindung.
    Letztlich war es nicht auszuschließen, dass Frank Schmitts Behauptung, Branagorn der Elbenkrieger zu sein, nicht nur psychische Ursachen hatte, sondern vielleicht eine organisch basierte Wahnvorstellung war. Diese Möglichkeit durfte man zumindest nicht vorzeitig ausschließen.
    Aber ganz gleich, welcher Art der Wahn dieses Mannes auch sein mochte – er hatte offensichtlich häufig recht.
    Und das wiederum war auch eine Realität, der man sich stellen musste, wie Anna van der Pütten fand.
    »Wie stellen Sie sich das vor, Branagorn?«, fragte Anna. »Die Hüter der Ordnung, wie Sie Kommissar Haller und seine Leute nennen, werden Ihre Hilfe nicht annehmen wollen.«
    »Dann überzeugt diese Narren! Ich beschwöre Euch, Cherenwen – Verzeihung: Frau van der Pütten. Die Hüter der Ordnung werden es ohne mich nicht schaffen, den Traumhenker zu finden. Sie brauchen mich.«
    »Sollten wir sie nicht einfach ihren Job machen lassen?«, schlug Anna vor.
    »Fünf Opfer hat es gegeben. Fünf Opfer in siebeneinhalb Jahren. Und Ihr sprecht davon, dass nichts weiter zu geschehen habe und man den unfähigen Helfern der Gerichtsbarkeit weiter bei ihrem Narrenspiel zusehen soll? Ich kenne den Traumhenker zur Genüge. Ich war ihm im Laufe der Jahrhunderte immer wieder auf den Fersen und verlor wieder seine Spur. Er ist ein Spieler des Bösen, versteht Ihr? Und er wird dieses Spiel so lange fortsetzen, wie man es ihm gestattet!«
    Eine dicke Ader an Branagorns Hals pulsierte. Er drehte ruckartig den Kopf und machte ein paar Schritte zum Fenster. Dieser Ausbruch an Emotionen war neu bei ihm. In den bisherigen Sitzungen hatte Anna so etwas nicht bei ihm erlebt. Nicht einmal ansatzweise.
    Ganz im Gegenteil. Er hatte immer einen sehr beherrschten Eindruck gemacht. Aber Anna war sich stets sicher gewesen, dass noch etwas anderes, Abgründigeres, in ihm sein musste. Schließlich hatte er auf einem Hochhaus gestanden, um sich in die Tiefe zu stürzen. So etwas geschah nicht aus heiterem Himmel. Da musste sich schon einiges aufgestaut haben.
    Branagorn ballte die Hände zu Fäusten. »Diese erbärmlichen Hüter der Ordnung hätten doch nur zu tun brauchen, was ich ihnen sage und den Schwarzen Tod in Gewahrsam nehmen.«
    »Sie meinen den Kerl in der Pestarzt-Verkleidung?«, vergewisserte sich Anna.
    Eine Antwort darauf blieb Branagorn ihr schuldig. Zu sehr war er offenbar in seinem Ärger gefangen.
    »Hören Sie zu, Branagorn, ich kann Sven – also Herrn Haller – unmöglich vorschlagen, dass er Sie in den Fall einbinden soll. Das wird er nicht tun. Und ich werde mich auch nicht dafür einsetzen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es jeglichen Regeln meines und seines Berufes widersprechen würde.«
    »Regeln! Sinnlose Regeln sind das, die nur dem Traumhenker nützen und seine Mörderseele schützen«, ereiferte sich Branagorn.
    »Das mögen Sie so sehen. Aber ich habe keine andere Wahl. Und Sie sollten das nicht als einen Angriff meinerseits auf Sie sehen oder als ein Zeichen von Geringschätzung oder Missachtung, sondern …« Sie machte eine Pause, stockte.
    Branagorn drehte sich zu ihr um. Seine Augen hatten sich verengt. Er sah sie mit einem sehr durchdringenden Blick an. In seinen Zügen spiegelte sich eine Qual wider, wie Anna sie selten zuvor je in irgendeinem Gesicht gesehen hatte.
    »… ein Zeichen von Narrentum?«, fragte Branagorn kalt. Er

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