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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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dachte sie. Es war zumindest zu hoffen.
    »Ich will mich der Wahrheit stellen, und darum hat es keinen Sinn, etwas verschweigen zu wollen«, sagte Branagorn schließlich.
    Anna war überrascht. Welche Wahrheit meinte Branagorn? Doch nicht etwa die eines vom Amt zugewiesenen Ein-Zimmer-Apartments in Münster-Kinderhaus, in der ein zweiwöchiger Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung der Westfälischen Kliniken in Lengerich zu den Highlights des Jahres gehörten, so wie für andere Leute ein Urlaub auf Mallorca?
    Als Branagorn dann nach einer quälend langen Pause wieder das Wort ergriff, wurde Anna klar, dass er mit dem Ausdruck »sich der Wahrheit stellen« offenbar etwas völlig anderes meinte, als sie selbst diesbezüglich im Sinn gehabt hatte.
    »In Wahrheit bin ich daran schuld, dass der Traumhenker in diese Welt kam. Dieses Wesen, das die Morde beging. Das ist die Wahrheit, der ich mich stellen muss, Cherenwen.«
    »Schuld ist ein interessantes Stichwort«, sagte Anna hölzern und kam sich dabei wie die Parodie ihres Berufsstandes vor, dem zu gerne unterstellt wurde, mit Vorliebe von Schuldgefühlen und Verdrängung und solchen Dingen zu sprechen. »Wieso glauben Sie, dass Sie dafür verantwortlich sind?«
    »Weil der Traumhenker aus jener Höllenwelt der Drachen, von der ich Euch soeben berichtete, mit mir in diese Welt gewechselt sein muss. Eine andere Erklärung erscheint mir undenkbar. Wenn ich es also auf mich genommen hätte, dort, in jener Drachenhölle zu bleiben, anstatt auf gut Glück und in Wahrheit ohne große Erfolgsaussichten abermals den Abgrund zwischen den Welten zu überspringen, dann wäre der Traumhenker niemals hierhergelangt. Aber seit jener Zeit wandelt er über die Erde und vollbringt sein furchtbares Werk. Er fährt in den einen oder anderen und macht sie zu Werkzeugen des Bösen, weil er sich am Leiden und am Hass erfreut … Und jetzt ist er hier … So nahe wie selten.« Branagorn erhob sich. »Ihr seid in Gefahr, Cherenwen. Achtet auf Eure Träume. Es sind die Träume, durch die er Einfluss auf Eure Gedanken gewinnt. Und auch wenn Ihr mich nicht als den zu erkennen vermögt, der ich in einem anderen Leben und in einer anderen Welt für Euch gewesen bin, so seid Euch gewiss, dass ich versuchen werde, Euch zu schützen.«
    »Branagorn, Sie sprachen vor ein paar Minuten davon, dass man sich der Wahrheit stellen müsse und ihr nicht ausweichen dürfe.«
    »Ja, da sprecht Ihr wohl, werte Cherenwen.«
    »Und die erste Wahrheit, der Sie sich stellen sollten, ist, dass ich nicht Cherenwen bin – sondern Anna van der Pütten, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin.«
    »Wie ich schon sagte, es ist …«
    »Es mag noch angehen, dass ich Sie Branagorn anstatt Frank Schmitt nenne, aber ich möchte Sie bitten, mich nicht mehr Cherenwen zu nennen – es sei denn, ich erlaube es Ihnen ausdrücklich im Rahmen einer entsprechenden Gesprächsübung, bei der es vielleicht um die Übertragung von Gefühlen geht. Aber normalerweise bin ich für Sie Frau van der Pütten.«
    Branagorn nickte. »Ich bin gerne bereit, mich Euren Wünschen zu beugen, werte Frau van der Pütten«, erklärte er dann. »Aber Ihr müsst mir auch etwas versprechen. Lasst es zu, dass ich bei der Entlarvung dieses Mördergeistes helfe.«
    »Branagorn, wie stellen Sie sich das vor?«
    »Ihr kennt meine Fähigkeiten. Ihr wisst, dass ich ganz nach Art der Elben Dinge zu sehen vermag, die sonst niemand sieht. Meine Sinne sind stärker als die jedes Menschen, und ich kann es kaum ertragen, wenn ich die sogenannten Hüter der Ordnung bei ihrer Arbeit sehe, die sie so langsam und mit so wenig Erkenntnisgewinn verrichten. Das Offensichtliche sehen sie nicht. Sei dies nun das Böse in Gestalt eines Pestarztes oder die Spur einer Hand oder ein Haar. Wurden diese Spuren inzwischen untersucht? Ich wette, diese Narren haben sich kaum darum gekümmert und inzwischen noch nicht einmal herausgefunden, dass die Tote anderthalb Schritt weit über den Boden gezogen wurde, bevor man sie aufsetzte und gegen den Anhänger lehnte …«
    Wie kommt er darauf?, fragte sich Anna.
    Sie hatte in den Unterlagen, die sie mit Branagorns Einwilligung aus der Landesklinik hatte kommen lassen, von der Diagnose eines Savant-Syndroms gelesen, auch Inselbegabung genannt. Branagorn war offenbar bereits mehrfach psychiatrisch und in jeder anderen Hinsicht untersucht worden – mit zum Teil sehr erstaunlichen Ergebnissen. Aber sie selbst hatte noch keine

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