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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Triebfeder für sie gewesen, Psychologie zu studieren. Das Chaos im Selbst verstehen, das Unbeherrschbare beherrschbar machen und unangenehme Überraschungen dadurch vermeiden, dass man die möglichen oder wahrscheinlichen Verhaltensweisen seines Gegenübers gedanklich vorwegnahm. Antizipation als Selbstschutz. Ordnung im Inneren wie im Äußeren als ein Schutz vor unliebsamen Überraschungen.
    Manchmal kam es trotzdem vor, dass sie überrumpelt wurde. Zum Beispiel in dem Augenblick, als Sven Haller ihr das Du angeboten hatte. Sie hatte Ja gesagt und es eigentlich schon im selben Moment bereut. Aber das Problem mit einem Du war, dass es sich nicht zurücknehmen ließ, ohne einen irreparablen Schaden auf der Beziehungsebene zu verursachen. Jetzt würde sie damit leben müssen und sich stets Mühe geben, »Sven« anstatt »Herr Haller« zu sagen, obwohl sie eigentlich nicht fand, dass das dem Stand der Beziehung entsprach.
    All diese Gedanken vermischten sich, als Anna sich ins Bett legte. Sie vermischten sich zu einem großen Strudel, der direkt in die Dunkelheit eines traumlosen Schlafs führte.

    Schweißgebadet und von einer inneren Unruhe erfüllt, erwachte sie. Kerzengerade saß sie im Bett und sah etwas Dunkles auf der Decke. Sie schrie laut auf, als sie erkannte, was es war.
    Mein Haar!
    Sie fasste sich an den kahl rasierten Kopf und verstummte dann, als sie die Gestalt in dunkler Kutte vor sich sah – gestützt auf eine monströs große Axt.
    Der Traumhenker.
    Er sah genauso aus, wie Branagorn ihn ihr beschrieben hatte. Die Axt war eigentlich viel zu schwer, als dass man sich hätte vorstellen können, dass ein gewöhnlicher Mensch sie hätte führen können.
    Die Kapuze der Kutte war tief ins Gesicht gezogen, aber eigenartigerweise herrschte darunter keine Dunkelheit. Stattdessen leuchtete es fahl und gespenstisch. Der Kopf hob sich, sodass sie eigentlich einen freien Blick auf das Gesicht hätte haben müssen. Doch dort war kein Gesicht, sondern eine fahle, sandfarben leuchtende Fläche mit zwei dunklen Punkten, einer größer, der andere etwas kleiner, die wie Augen in einem geisterhaften Gesicht wirkten.
    Deine Seele gehört mir! Und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst, flüsterte eine leise Gedankenstimme. Du kannst die Bleistifte auf deinem Schreibtisch noch so oft anspitzen und geordnet nebeneinanderlegen, du kannst die Büroklammern täglich durchzählen, um sicherzugehen, dass du nicht plötzlich auch nur eine einzige zu wenig davon hast, du kannst deine Kalorien zählen und dich noch so sehr an die Methodik deiner Therapieschule halten … Das mag den Chaosdämon in dir selbst notdürftig bändigen, aber es wird dich nicht dagegen schützen, dass ich die Herrschaft über deinen Geist erringe.
    Ein dröhnendes Gelächter folgte und ließ Anna van der Pütten ein zweites Mal schweißgebadet emporschnellen.
    Sie saß erneut – und diesmal wirklich und nicht nur in ihrer Traumphantasie – aufrecht im Bett und fühlte, wie ihr der Puls bis zum Hals schlug.
    Der erste Alptraum seit langer Zeit, dachte sie, während ihr Herz noch immer raste.
    ***

    Es war früher Morgen, als Timothy Winkelströter nach Hause kam. Er stellte den Wagen ab, gähnte und stieg aus. Dann sah er auf die Uhr an seinem Handgelenk. Gerade mal fünf Uhr. Morgendämmerung in Kattenvenne – das hatte doch was. Er sah kurz auf den Rücksitz. Da lagen ein Zierdolch und eine Schnabelmaske, wie sie die Pestärzte des Mittelalters getragen hatten, dazu ein Umhang mit Kapuze. Gehörte beides zum Angebot seines Shops. Man konnte auch noch ein Lederwams, Handschuhe und Stiefel dazubekommen, wenn man wollte. Nur den Karren, auf den die Toten aufgeladen wurden, den hatte Timothy Winkelströter nicht im Angebot. Einen Augenblick überlegte er, ob er die Schnabelmaske nicht mit ins Haus nehmen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Nur einen Teil der Ware, die er über das Internet verkaufte, lagerte er in seiner Einliegerwohnung. Und dabei handelte es sich vor allem um die Dinge, die wenig Platz einnahmen. Amulette zum Beispiel. Für den Rest – vor allem für die Kleidung – hatte Timothy Winkelströter einen Lagerraum angemietet. So viel warf sein Geschäft inzwischen ab.
    »Müssen Sie die Türen so schlagen?«, fragte eine schnarrende Frauenstimme, die Timothy herumfahren ließ.
    Frau Möller, die hochbetagte Mutter seines Vermieters. Wer sonst? Aus verschiedenen Gründen wäre niemand anderes für eine solche Begegnung im

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