Der Teufel Von Muenster
erwiderte Haller wenig interessiert. »Hat irgendetwas davon mit unserem Fall zu tun?«
»Schwer zu sagen«, meinte Wolli. »Also erstens ist diese Sekte mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Es ging dabei zumeist um Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz und Anzeigen wegen Betruges und Steuerhinterziehung. Es gab sogar ein Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche, das aber nicht zu einer Verurteilung geführt hat. Der springende Punkt ist wohl, dass die ›Neuen Templer‹ recht zweifelhafte spirituelle Heilmethoden für alle möglichen Krankheiten und Gebrechen anbieten. Auch Hilfe für psychische Leiden kann man dort bekommen, wenn ich den Internetauftritt richtig verstanden habe. Allerdings werden dafür Summen verlangt, die alle regulären Ärzte und Psychiater vermutlich vor Neid erblassen ließen …« Wolli wandte sich an Anna. »Dieser Timothy Winkelströter ist gewissermaßen ein Kollege von Ihnen. Er gibt Kurse in ›positiver Ich-Findung‹ – was immer das auch sein mag.«
»Ich habe von den Neuen Templern schon mal etwas gehört«, sagte Anna düster.
»Inwiefern?«, fragte Haller.
»Vor etwa anderthalb Jahren hatte ich eine Patientin, die über mehrere Jahre dort Mitglied war und durch okkulte Praktiken einer Art Hirnwäsche unterzogen und zutiefst traumatisiert wurde. Unter anderem wurden mir Rituale geschildert, bei denen Sektenmitgliedern die Haare abgeschnitten wurden. Insbesondere dann, wenn sie sich der Macht Baphomets verschlossen.«
»Auf der Homepage stand aber nur was von Heilsteinen und so«, warf Wolli ein.
»Natürlich«, erwiderte Anna. »Die Neuen Templer betrachten sich ja als Nachfolger der Tempelritter, denen man die Verehrung eines stierköpfigen Dämons namens Baphomet vorwarf, um den Orden auflösen und sein Vermögen konfiszieren zu können. Der Baphomet-Kult gehört darum zum geheimen Teil dieses Glaubens – falls man das so bezeichnen möchte.«
»Und wie würdest du es bezeichnen?«, fragte Haller.
»Psychoterror und Ausbeutung. Letzteres geschieht sowohl psychisch als auch finanziell. Dieses Ritual, von dem ich gerade sprach, ist eine Art negativer Exorzismus. Der Dämon wird nicht ausgetrieben, wie es früher in der katholischen Kirche üblich war, sondern umgekehrt: Die Seele soll für Baphomet geöffnet werden, damit er in sie hineinfahren kann …« Anna stockte bei den letzten Worten.
Sie hatte lange nicht mehr an Linda Meyer-Braksiek gedacht, die seinerzeit bei ihr Hilfe gesucht hatte. Letztlich allerdings erfolglos, denn sie wurde schließlich mit aufgeschnittenen Pulsadern in ihrer Badewanne gefunden. Anna erinnerte sich noch genau an den Moment, als sie davon erfahren hatte. Ein knochentrockener Polizeiobermeister hatte ihr die schlechte Nachricht übermittelt. Auch die sonore, warme Stimme hatte dabei nicht irgendetwas abzumildern vermocht. Anna hatte ernsthaft darüber nachgedacht, den Beruf aufzugeben. Schließlich war sie doch offensichtlich gescheitert. Sie hatte Linda Meyer-Braksiek nicht so weit psychisch stabilisieren können, dass sie die Fähigkeit erlangte, unabhängig von den Neuen Templern ihr Leben zu fristen. Dass die Sekte die junge Frau nach ihrem Weggang mit einer Flut von Klagen überzogen hatte und damit sicherlich auch ihren Beitrag zum völligen seelischen Zusammenbruch geleistet hatte, stand auf einem anderen Blatt. Erst durch eine intensive Supervision durch einen erfahreneren Kollegen gelang es schließlich, Anna davon zu überzeugen, dass dieser Fall für sie kein Grund sein durfte, den Beruf, für den sie doch alles gegeben und alles eingesetzt hatte, aufzugeben. Nicht alles, was man tut, kann gelingen, hielt sich Anna seitdem jeden Tag mindestens einmal vor Augen.
Haller wandte sich unterdessen an Wolli. »Wo hat denn diese Sekte ihr Hauptquartier oder wie immer man das nennen will?«
»Die Zentrale ist in Osnabrück. Dort haben sie auch eine alte Villa angemietet, in der sie ihr Schulungs- und Therapiezentrum eingerichtet haben«, sagte Wolli und ließ suchend den Blick schweifen. »Habt ihr zufälligerweise noch Kaffee, der nicht kalt und auch nicht zu dünn ist?«
Haller ging darauf nicht weiter ein. »Dass die Rituale, die diese sogenannten Neuen Templer praktizieren, was mit kahlen Schädeln zu tun haben, ist schon eine sehr auffällige Parallele zu dem, was dieser irre Mörder macht«, stellte er fest und war dabei sehr nachdenklich geworden. »Vielleicht sollten wir uns doch mal genauer ansehen, was die
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