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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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einem Namen dienen, Hüter der Ordnung. Und auch zu dem Gesicht kann ich Euch keine nähere Beschreibung geben. Denn das Augenpaar, das mich damals anstarrte, blickte durch das gläserne kleine Fenster einer Tür, die die Eigenschaft hatte, den Klang von Schreien zu dämpfen. Das Gesicht sah ich bis hier.« Er hielt die Hand in die Höhe der Nasenwurzel. »Es kann keine große Person gewesen ein, sonst wäre das Gesicht zur Gänze sichtbar gewesen.«
    »Ja, das hilft uns sehr weiter, Herr Branagorn«, sagte Haller.
    »Eines solltet Ihr noch wissen: Der Schädel war kahl. Es war kein einziges Haar darauf zu sehen.«
    »Wie bei den Opfern«, stellte Anna fest.
    »Ich sagte Euch doch: Der Traumhenker ist in diese Mörderseele gefahren und lässt sie an anderen Dinge tun, die ihr vielleicht selbst widerfahren sind. Und nun entschuldigt mich – denn ich bin in Eile, auch wenn dies für einen Unsterblichen wie mich ein eher seltener Zustand ist und ich ansonsten nichts dagegen einzuwenden hätte, die Unterhaltung noch ein halbes Leben lang fortzusetzen.«
    Er schaute noch einmal auf die Stellwände, fixierte kurz eine bestimmte Stelle, wandte sich zur Tür und schien von einem plötzlichen Impuls getrieben zu sein. Nicht einmal auf sein Schwert, den Nachtmahrtöter, kam er jetzt noch einmal zurück, obwohl ihm das eben noch so unendlich wichtig gewesen war. Anna spürte, dass sich in Branagorns Psyche irgendetwas verändert hatte. So, als ob ein Schalter umgelegt worden war. Aber ihr fiel kein vernünftiger Grund ein, ihn davon abzuhalten, jetzt das Präsidium zu verlassen.
    »Branagorn, warten Sie!«, rief sie.
    Er drehte sich um.
    »Werte Cherenwen. Gebt auf Euch Acht, denn der Traumhenker kennt keine Gnade.«
    In Annas Hirn arbeitete etwas fieberhaft. Dutzende von Gedanken schienen dort gleichzeitig herumzurasen. Sie hasste Chaos. Sie hasste Situationen wie diese, in denen nicht von vornherein feststand, wie sie ausgingen, was bei einer therapeutischen Situation normalerweise immer der Fall war. Da hielten sich die Überraschungen in engen Grenzen. Aber dies war ein Spiel, in dem sie nicht die Regeln bestimmte und das ihr deswegen vielleicht auch so viel Unbehagen bereitete. Sie ging zur Stellwand und deutete auf das Facebook-Gruppenfoto. Auf einem daneben angehefteten Ausdruck wa- ren die Kommentare dazu abgedruckt.
    Annas Zeigefinger berührte das Foto genau dort, wo sich der Pestarzt befand. »Ist es dieser hier?«, fragte sie.
    »Das weiß ich nicht«, bekannte Branagorn. »Ich habe dieses Bild angesehen, doch die Augen sind nicht gut genug zu erkennen. Aber eins ist gewiss: Wenn ich der Mörderseele gegenüberstehe und ihren Blick erwidere, werde ich ihr wahres Wesen erkennen.«
    Mit diesen Worten verließ Branagorn den Raum.
    Anna lief ihm nach. Auf dem Flur war er nicht zu sehen. Die Geschwindigkeit, mit der er sich entfernt hatte, überraschte sie. Sie lief mit schnellen Schritten bis zur nächsten Biegung und sah ihn ganz am Ende des Korridors.
    »Branagorn!«, rief sie.
    Er blieb nicht stehen und drehte sich auch nicht um, obwohl Anna sich eigentlich sicher war, dass er sie bemerkt haben musste.
    Erst am Ausgang holte sie ihn endlich ein, stellte sich vor ihn in den Weg. Sie war ziemlich außer Atem.
    »Branagorn, was haben Sie denn jetzt vor?«
    »Ich habe dem Hüter der Ordnung gesagt, was ich weiß, und mein Schwert Nachtmahrtöter werde ich vermutlich so schnell nicht zurückerhalten, weil es mir offenbar unter fadenscheinigen Vorwänden weiterhin vorenthalten werden soll. So bleibt mir nichts anderes, als mich auf die Kräfte meines Geistes zu verlassen. Nehmt Euren Platz an der Seite der Ordnungshüter ein, werte Cherenwen. Dass mein Platz dort nicht sein kann, wurde mir eindringlich deutlich gemacht.«
    »Ich möchte wissen, wo Sie jetzt hingehen?«
    »Es besteht kein Anlass, dass Ihr Euch beunruhigt, Cherenwen. Achtet auf den Traumhenker. Das ist alles, was ich Euch raten kann.«
    »Versprechen Sie mir, jetzt zurück nach Kinderhaus zu fahren?«
    »Wovor fürchtet Ihr Euch?«
    »Dass Sie etwas Unbedachtes tun, Branagorn. Und dass Sie sich in die Ermittlungen einmischen.«
    »Wie sollte das denn möglich sein?«
    »Vertrauen Sie den Hütern der Ordnung, Branagorn!«
    »Natürlich. Im Übrigen seid unbesorgt. Mir geht es so gut wie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr, und der Gedanke, dem Lebensüberdruss nachzugeben, liegt mir zurzeit ferner denn je. Das liegt auch daran, dass Ihr nun endlich doch

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