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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Schmalstieg.«
    Eine tiefe Furche erschien nun auf der Stirn des alten Herrn und teilte sie mehr oder minder exakt in zwei gleich große Hälften. »Also, ich bin ja schon froh, wenn ich den Namen vom Arzt behalten kann. Die Schwestern kann ich mir nicht auch noch merken. Das überfordert meine kleinen grauen Zellen. Außerdem: Wenn die sich alle erst vorstellen würden, bevor sie einem Blut abzapfen oder so wat, da bräuchte die Ambulanz ja wohl ein doppelt so großes Wartezimmer.«
    »Häufig tragen die mildtätigen Helfer im Hospital Schilder mit ihrem Namen an der Kleidung. Ich könnte mir denken, dass dies hier in Borghorst auch so sein könnte.«
    »Ja, schon – aber die soll ich mit meinen Matschaugen erkennen? Ich bin nämlich kurz- und weitsichtig. Und das heißt, wenn ich eine Brille aufsetze, habe ich immer die falsche auf – und von Gleitsicht wird mir schwindelig. Darum setze ich besser gar keine Brille auf, was dazu führt, dass ich nur das richtig lesen kann, was exakt im richtigen Abstand ist. Die Schnörkelbuchstaben auf dem Amulett um Ihren Hals kann ich zum Beispiel klar erkennen. Das heißt Coca-Cola, vermute ich mal. Aber wenn ich mich jetzt etwas zurücklehne oder Sie das tun, dann passt dat schon wieder nich.« Er kratzte sich am Kinn und schüttelte den Kopf. »Also, eine Schwester Nadine Schmalstieg ist mir nicht begegnet. Ich glaube, das hätte ich mir auch gemerkt, denn meine falsche Enkelin heißt auch Nadine. Also – falsch deswegen, weil die eigentlich nur durch die Patchwork-Familie meines Schwiegersohnes gewissermaßen importiert worden ist, aber trotzdem Opa zu mir sagt.«
    »Ja, die Zeiten sind verworren und schwierig«, erwiderte Branagorn.
    »Aber einen Tipp kann ich Ihnen noch geben, wenn Sie ins Marienhospital kommen.« Der alte Mann beugte sich etwas vor und blinzelte Branagorn verschwörerisch an.
    »Jeder Ratschlag ist mir willkommen – und ganz besonders der Eure, edler Herr.«
    »Wenn Sie Probleme mit der Verdauung haben – dann gehen Sie nicht zu Dr. Freckenbrede.« Der alte Herr verzog das Gesicht, als gäbe es da unaussprechbare Grausamkeiten, die er auf keinen Fall über die Lippen bringen konnte. Er sagte nur dreimal stoßgebetsartig: »Ne! Ne! Ne!« – jeweils mit einem abgehackten kurzen, aber hell gesprochenen e am Ende des Wortes, das eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Hecheln eines Hundes hatte.

    Später betrat Branagorn das Marienhospital von Borghorst. Borghorst hatte gegenüber Burgsteinfurt, dem anderen, größeren und wichtigeren Stadtteil von Steinfurt, in nahezu jeder Hinsicht den Kürzeren gezogen. Die Vereinigung der beiden Städte war im Grunde eine Eingemeindung von Borghorst nach Burgsteinfurt gewesen. Burgsteinfurt war auch vorher schon Kreisstadt gewesen, nur dass der Kreis anschließend etwas größer geworden war. Nicht mal die Reformation hatte es bis Borghorst geschafft, denn im Gegensatz zu Burgsteinfurt war Borghorst so etwas wie eine katholische Insel, wo es Prozessionen mit Weihrauch, Karneval und all die anderen Dinge gab, die die reformierten Spaßbremsen, für die das Leben ein Jammertal war, abgeschafft hatten. Aber immerhin gab es in Borghorst das Marienhospital – und das war mit seinen fünfhundert Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber der Stadt.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Stimme im Glaskasten an der Pforte des Marienhospitals. Sie gehörte einer beleibten Mittdreißigerin mit gelockten blonden Haaren und freundlichen Augen.
    »Ich suche eine Krankenschwester«, sagte Branagorn.
    »Nun, davon gibt es bei uns viele. Haben Sie Beschwerden und wollen Sie zur Notaufnahme? Oder sind Sie hier, um jemanden zu besuchen?«
    »Ich suche Nadine Schmalstieg. Sie arbeitet hier als Krankenschwester.«
    »Also hier arbeiten so viele Menschen, die kenne ich nicht alle persönlich und mit Namen«, sagte die Frau mit den Locken.
    »Ich muss Nadine Schmalstieg dringend sprechen und wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr mir in dieser Angelegenheit helfen würdet.«
    »Sind Sie ein Verwandter oder ein Freund? Ich meine, Sie kommen hier einfach her …«
    »Ich bin ein wohlmeinender Freund, und es geht um Leben und Tod, werte Frau Kemper.« Sie trug ein gut lesbares Namensschild an ihrer Kleidung – Ilona Kemper.
    Sie beugte sich vor und musterte Branagorn nun stirnrunzelnd von Kopf bis Fuß und wieder zurück. Von den leicht nach oben gebogenen Spitzen der Wildlederstiefel bis zu dem Schwertgriff, der über seiner rechten

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