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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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geschnitten. Brüder, was? Das erklärt alles.«
    »Tut es nicht. Aber ein bisschen was vielleicht.«
    Wir hörten eine Weile den Deutschen von nebenan zu. Entweder sie schlugen sich oder sie tanzten. Die Wahrscheinlichkeit war fünfzig zu fünfzig, so weit ich das nach dem Stampfen und Kreischen und dem gelegentlichen wilden Gelächter beurteilen konnte. Ich nippte an meinem Tee und sah Bird dabei zu, wie sie ihren Namen – den irischen – in den weißen Staub schrieb, der nie ganz vom Tisch verschwand.
    »Wenn du mir alles erzählen könntest , dann würdest du das tun, nicht wahr?«
    Bird nickte ernst – doch sie antwortete nicht. Zog bloß eine Linie nach der anderen durch ihren Namen auf dem Tisch, mit einer geradezu bösen Gründlichkeit. Bis es so war, als hätte ihr Name niemals dort gestanden.

15
    Im Übrigen fällt es nicht schwer, zu einer richtigen Einschätzung der papistischen Pädagogen und Lehrer zu gelangen, betrachtet man ihre Anstrengungen im Bereich Bildung und Erziehung. Weniger als einer von zwanzig, man kann wohl sagen, einer von fünfzig, kann lesen oder schreiben.
    Amerikanische Protestanten zur Verteidigung
    der Bürgerlichen und Religiösen Freiheit
    gegen den Vormarsch des Papsttums, 1843.
    Am nächsten Tag erwachte ich im Morgengrauen. Ein unsichtbares, aber gezacktes Brotmesser sägte an meinem Nacken, ohne dort viel auszurichten. Ein Kater, dachte ich, du hast dir gestern einen angezwitschert. Endlich ! Ich hatte es mir verdient. In meiner Kehle war ein flaumiger Belag vom Whiskey.
    Ich erinnerte mich genauer an den gestrigen Abend, als ich draußen vor der Tür im Sonnenlicht stand und das Wasser aus dem Kübel, in den ich gerade meinen Kopf getaucht hatte, über die Holzlatten der vorderen Einfahrt kippte, um den Staub zu binden. Ich hatte beim Kartenspiel verloren. Und zwar gegen ein kleines Mädchen, das so geschickt war, dass es ihr sage und schreibe sechs Mal gelang, mit einem Ergebnis von vier zu eins beim Kartenraten gegen mich zu gewinnen. Aber ich hatte dann doch mit ihr gleichgezogen und eine Menge der Holzstückchen hinten aus der Bäckerei, die uns als Geldersatz dienten, zurückgewonnen. Wir waren uns gegenseitig nichts schuldig geblieben.
    Ich streckte mich und ging zurück ins Haus.
    Plötzlich sah ich in dem schmutzigen Licht des anbrechenden Tages nur noch Silkie Marsh, wie sie vor dem Tisch stand und das Nachthemd entdeckte. Und wie sie den Kopf wieder zu mir wandte, wie von einer Kette gezogen.
    Fünfzehn Minuten später stand ich, nachdem ich schnell den Herald nach Neuigkeiten durchgeblättert hatte, komplett angezogen vor der Tür zu Mrs. Boehms Schlafkammer. Matsell hatte offenbar an seinen Fäden gezogen, denn ein Artikel verkündete, der Brief über die irischen Kinderprostituierten sei »ein ganz teuflisches, empörendes und lächerliches Machwerk«. Doch ich hatte keine Zeit zu verlieren.
    »Bird«, rief ich leise ihren Namen. Mrs. Boehm war schon aus dem Haus gegangen.
    Bird blinzelte mich von ihrer Pritsche aus mit feuchten Augen an.
    »Du kommst besser mit mir«, sagte ich zu ihr. »Raus aus diesem Haus.«
    Sie zögerte. Nachdem sie Silkie Marsh am Vortag gesehen hatte, konnte ich ihr das nicht verdenken.
    »Ich vermute«, sagte ich gähnend, »es interessiert dich nicht sonderlich, wie ein Pyrotechniker die Feuerwerkskörper für ein Theaterstück herstellt.«
    *
    Zuerst mussten wir allerdings einen anständigen Köder für Hopstill auftreiben, sonst würde es nicht klappen mit Hopstill als Köder für die Zeitungsjungen.
    Nachdem Bird und ich ein Brötchen gegessen und Tee getrunken hatten, zogen wir Richtung Südwesten los. Nach einem zehnminütigen Fußmarsch kamen wir in die Chambers Street, gegenüber dieser Warze im Gesicht von New York City namens City Hall Park. Der August hatte ganze Arbeit geleistet und den Bäumen am Rand den Garaus gemacht. Auf dem steinigen Grund unter den dürren Zweigen hatte eine Bande kleiner Ganoven ihrtrostloses Lager aufgeschlagen. Auf der Nordseite der Chambers Street aber stand, wie aus Versehen dort hinverpflanzt, ein gepflegtes braunes Backsteinhaus, flankiert von zwei Eschen mit samtiggrün leuchtenden Blättern.
    Über drei Treppenstufen ausgestreckt lümmelte ein Kupfersternträger. Er trug die Kluft eines Feuerwehrmanns, wie viele von uns, den Stern in den roten Flanell gesteckt, eine erloschene Zigarre zwischen den Lippen: die perfekte Rowdy-Uniform. Seine Haare waren blond, sogar etwas heller als bei

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