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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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von der Bühne und zündete sich den Zigarrenstumpen an, den er in seiner Westentasche gefunden hatte. Er machte sich nicht die Mühe, mich anzuschauen, als er an mir vorbeiging, winkte mir nur, mitzukommen. Ich folgte ihm, Bird wie ein Schatten auf meinen Fersen.
    »Das macht dann einen Dollar«, piepste sie erfreut.
    »Warte einen Moment, den krieg ich gleich von ihm«, antwortete ich und deutete auf Vals Rücken.
    Mein Bruder stolzierte in einen Nebenraum, der offensichtlich als Büro genutzt wurde, die Regale an der Wand vollgestopft mit Plakaten. Sie waren rot und gelb und blau und grellviolett und trugen so bewundernswerte Sprüche wie FREIE MÄNNER GEGEN DEN DESPOTISMUS oder DAS SCHWERT DES WANDELS FÜR DIE BÜRGER VON NEW YORK zur Schau. Val drehte sich um, lehnte sich gegen den Schreibtisch, und einer seiner Tränensäcke zuckte leicht beim Anblick von Bird.
    »Schon wieder eine streunende Katze aufgesammelt, Tim?«, fragte er finster.
    »Das ist Bird Daly. Ich habe dir von ihr erzählt – sie wohnt zur Zeit bei mir.«
    Val blieb der Mund offen stehen, und nur die lange Gewohnheit konnte verhindern, dass die Zigarre herausfiel. Er sah sich Bird genauer an und klemmte die Daumen in den Hosenbund.
    »Silkies kleines Dienstmädchen«, murmelte er. »Verdammich!«
    »Hocherfreut, Sie wiederzusehen, Mr. V«, sagte Bird. Und Gott sei mein Zeuge, es klang ganz aufrichtig.
    Ihr schüttelte er die Hand, mir warf er einen Blick wie einen Fleischerhaken zu. »Das ist sie? Das ist das Mädchen, das von Kopf bis Fuß mit Liams frischem Blut besudelt war und das Matsell – mein Gott, Tim, wo hast du bloß deinen Kopf?«
    »Da mach du dir bitte mal keine Sorgen, ja?«, knurrte ich ihn an.
    Bird schien nicht im Geringsten beeindruckt. »Warum tragen die denn alle Bärte, Mr. V?«
    Valentines Miene wurde mit einem Mal weicher, als er auf Bird hinabblickte. »Ja nun. In jedem der wunderbaren Wähler, die du da hast stehen sehen, stecken drei Männer, man braucht nur drei verschiedene Verkleidungen, kapierst du? Wir haben Barbiere in der Stadt, die für uns arbeiten, und die müssen vor den nächsten Wahlen ein bisschen üben. In Wirklichkeit gehtjeder von den Burschen dreimal wählen, einmal als Bärtiger, dann als Schnurrbärtiger und dann glattrasiert. Lauter loyale Demokraten.«
    Ich verzog bitter das Gesicht, doch Bird lachte nur und schien die Politik für einen guten Scherz zu halten. Vielleicht sah sie die Sache ja auch richtig.
    »Hör mir mal zu, kleiner Fratz«, sagte Val und fuhr sich zerstreut mit den Fingern durchs Haar. »Du gehst jetzt hier aus der Tür, dann nach links und die Treppe hoch. Oben kommst du zu einem Raum, nicht abgeschlossen. Der Raum ist voller Truhen. Die wiederum sind voller Klamotten. Und die Klamotten sind für arme Wähler und Freunde der Partei, aber das muss dich jetzt gar nicht kümmern. Wenn du wieder zu uns zurückkommst, bevor du ein Kleid gefunden hast, das dir gut steht, pack ich dich bei den Ohren und halte dich aus dem Fenster, bis sie dir abfallen. Verstanden?«
    Bird strahlte über alle Sommersprossen, rannte davon und zog die Tür hinter sich zu.
    »Timothy Wilde, hast du den Verstand verloren?«, blaffte Val mich an. »Was hat sie dir erzählt?«
    Ich erklärte ihm, dass Birds Geschichten alles andere als verlässlich waren, dass sie nicht wusste, warum die Kinder getötet oder verstümmelt wurden, und dass ein Mann mit schwarzer Kapuze hinter dem Ganzen zu stecken schien, jedenfalls nach dem, was sie und die Zeitungsjungen sagten.
    »Tim, dir ist klar, dass die Ermittlung vorbei ist, oder?«
    »Das habe ich gehört.«
    »Sehr gut, dann hör jetzt einmal im Leben auf das, was ich dir sage.«
    Val war der Ansicht, ich solle dankbar sein, dass man mich wieder zum Streifegehen eingeteilt hatte. Und zwar unendlich dankbar, denn da war es viel weniger wahrscheinlich, dass einem der Schädel eingeschlagen wurde, als bei der Jagd nach einem wahnsinnigen Kindermörder. Ansonsten war seiner Ansicht nach mit der Welt alles bestens bestellt. Die Grabstelle wurde bewacht,somit konnte sich keiner mehr dort irgendwelcher Leichen entledigen, ohne von uns geschnappt zu werden. Und Bird könnte ich ja gleich diesen Nachmittag noch in einem katholischen Waisenhaus abliefern und dann hätte ich meine Schuldigkeit getan. Aber ich hätte so einen sturen Blick in meinem Gfrieß, sagte er zu mir. Wieso es mir so schwerfalle, meine Finger von der schmutzigen Geschichte zu lassen?
    »Weil

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