Der Teufel von New York
um ihre Pupillen sprühten Funken. Dieses Funkeln war nicht kalkuliert – nur verbittert und müde. Ein versteinerter Groll, der zu fest saß, als dass sie ihn verbergen könnte.
»Sie sind nicht der Einzige, der keine hohe Meinung von mir hat, Mr. Wilde. Aber ich lebe gut, und ebenso all jene, die unter meinem Dach wohnen. Ich bin eine wohlhabende und unabhängige Frau. Ich werde mich nicht weiter auslassen über die Vorzüge von Nähakkordarbeit, bis man entweder verhungert oder erfriert, oder über die Freuden der Fabrikarbeit, wo Männer gewisse Gunstbeweise mit Gewalt erzwingen, anstatt dafür zu zahlen. Ich dagegen bin die Herrin meines Etablissements. Und über meine Zeit, was noch viel wertvoller ist. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass einige der Kinder, die unter meiner Obhut stehen, eines Tages selbst zu Wohlstand gelangen werden. Sehen Sie mich an, wie ich hier vor Ihnen sitze, dabei war ich im Alter von neun Jahren auch ein zerbrechliches Ding.«
Ich blinzelte und schwieg. Denn wenn das stimmte, wenn sie genau dasselbe durchgemacht hatte, wenn sie all das, was Bird dazu brachte, Tassen an die Wand zu werfen, aus eigener Erfahrung kannte... dann gab es nichts, was ich dazu hätte sagen können. Fremden Narben sieht man nicht an, wie tief sie gehen. Und falls sie log, nun, dann war sie es nicht wert, dass ich das Wort an sie richtete.
Dass sie unserem Gespräch eine solche Richtung gegeben hatte, schien sie zu ärgern. Silkie Marsh setzte sich gerade, rührte einmal mit dem Löffel in ihrer Tasse, als müsse sie ein besonders hartnäckiges Stück Zucker auflösen, obwohl sie – wie ich aus dem fehlenden Dampf geschlossen hatte – schon mindestens eine Viertelstunde auf mich gewartet hatte.
Als unsere Blicke sich trafen, sah ihr Mund schon wieder recht heiter aus, und ihre Wangen leuchteten blütenrosa.
»Bitte sagen Sie mir, was wirklich mit Liam geschehen ist«, sagte sie leise. »Und da wir gerade davon sprechen, wie haben Sie eigentlich herausgefunden, wer er war und wo er wohnte?«
»Eine in der Wohlfahrt tätige Person hat ihn identifiziert.«
»Aha. Miss Mercy Underhill, nehme ich an.«
Es durchfuhr mich wie ein Schock. Ich muss ziemlich aufgescheucht gewirkt haben, denn Silkie Marsh wirkte plötzlich sehr erfreut. Sie neigte ihr Kinn im selben Winkel wie ich meinen Kopf.
»Ich wüsste nicht, wer es sonst gewesen sein könnte, Mr. Wilde. Ich sehe sie selten, aber sie ist Kindern recht zugetan. Ich kann mir niemand anderen vorstellen, der Liam nach so kurzer Bekanntschaft wiedererkannt hätte.«
Ein seltsamer Glanz in ihrer Stimme steigerte nur meine Verblüffung. Doch als ich mich erst einmal mit der Tatsache vertraut gemacht hatte, dass sie einander kannten – natürlich kannten sie sich; jemand, der sich wie Mercy der Kinderdirnen annahm, musste irgendwann deren Herrin begegnen –, wunderte ich mich nicht darüber, dass Silkie Marsh die Tochter des Reverend, die so schön und so gebildet war, nicht ausstehen konnte. Das erklärte den dunklen Ton, der durch ihr leichtes Lächeln hindurchblutete.
»Können Sie mir denn sonst nichts sagen?«, versuchte sie mich aus der Reserve zu locken. »Sehen Sie, ich möchte doch nur helfen.«
»Tun Sie das für meinen Bruder?«
»Was auch immer Sie sonst über mich denken, und ich weiß schon, dass Sie sich in dieser Hinsicht keinen Zwang antun, ich kann Sie nicht in dem Glauben lassen, ich würde mich nicht um das Wohlergehen meiner Schwestern und Brüder sorgen.« Sie sprach diesen Satz mit absichtlicher Schärfe, spürbar in den harten, abgehackten Konsonanten. »Ich habe New York City nicht erbaut, Mr. Wilde, also verlangen Sie bitte nicht von mir, dass ich es nach Ihrem Geschmack umgestalte. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Nein. Aber ich danke Ihnen trotzdem. Sie sind zu mir gekommen in der Hoffnung, mir Informationen aus der Nase zu ziehen, da ist es großzügig von Ihnen, mir einen Handel anzubieten.«
Ich hatte die Absicht gehabt, sie zu ärgern, ihr damit irgendwie das böse Lächeln von ihrem elfenbeinernen Gesicht zu schlagen. Aber das Lächeln wurde nur breiter.
»Valentine hätte Ihnen sagen können, dass ich sehr für Fairness bin. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Sie Ihrem Bruder richtig zuhören oder überhaupt wissen, was Sie mit ihm anfangen sollen.«
» Sie gehen weitaus geschickter mit ihm um, wie ich mich überzeugen konnte.«
Dieser kleine Satz erzielte die Wirkung, auf die ich eben
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