Der Teufel von New York
meinem Bruder und mir, doch er trug einen Schnurrbart über den fleischigen Lippen, was ungewöhnlich war. Er hieß Moses Dainty und seine Einstellung zu den Demokraten war in etwa so wie die des Apostels zur Christenheit. Einer von denen, für die es eine Ehre war, meinem Bruder die Wäsche nach Hause tragen zu dürfen.
»Du bist jetzt also auch unter die Polizisten gegangen, Wilde?«, rief er mit gelangweilter Stimme, als er meiner ansichtig wurde. »Das bist doch du da unter dem Schleier, oder? Val hat mir schon erzählt, dass du bei dem Feuer im Juli ganz schön was abgekriegt hast. Tag, kleine Miss«, setzte er hinzu und spuckte höflich aus. »Hier werden wichtige politische Debatten geführt, du bleibst also gefälligst mucksmäuschenstill. Der Partei zuliebe, mein Püppchen.«
»Ich werd die Klappe halten«, versprach Bird.
Ein Lieferwagen der Knickerbocker Company kam herangerumpelt, die Pferde ganz schlapp. Zwei Männer sprangen ab, rissen die Ladeklappe auf, aus der schon das Wasser heraustropfte, und hoben mit ihren Eisenzangen einen riesigen Eisblock heraus.
»Zur Hintertür damit, ihr Burschen, ich bezahl euch, wenn alles in der Küche ist«, rief Moses.
»Aufwendige Sache, so eine Parteiversammlung«, bemerkte ich.
»Für diese haben wir uns schon ordentlich ins Zeug gelegt. Das Eis ist für den Hummer, dann gibt es Rum-Punsch und zwei gebratene Spanferkel – es ist eines der größten Treffen der Saison.Warum bleibst du nicht zum Essen? Wähler sind immer willkommen.«
Der Saal mit den hohen Wänden war brechend voll. Männer mit engen schwarzen Röcken und grellbunten Krawatten standen auf dem schmalen Podest hinten im Raum, andere, in Flanellhemden so rot wie ihre Haare, lehnten unter dem geheiligten Bild von Washington mit dem Rücken an der Wand, wieder andere saßen an Tischen vor einer unbeholfen ausgeführten Wandmalerei, welche die Unabhängigkeitserklärung darstellte, mit ein Fuß hohen Unterschriften. Und schließlich noch eine große Gruppe von Männern – und hier war ich etwas verwirrt, ganz wie Bird, die verdutzt eine Braue hochzog –, die in einer ordentlichen Reihe standen, als würden sie vor einem Schalter Schlange stehen.
Zunächst konnte ich gar nicht genau sagen, was mit ihnen nicht stimmte. Alles in allem waren es etwa vierzig Männer, aufgereiht wie am Schnürchen. Ich sah sie mir genauer an. Sie schienen Wahlzettel in der Hand zu halten, dabei war es bis zur nächsten Wahl noch eine ganze Weile hin. Dann nahm ich den beißenden Geruch nach Gin wahr, und ihr Schwanken, und wusste, dass sie sternhagelvoll waren. Außerdem waren sie allesamt Iren, dunkelhaarig oder rothaarig, trugen aber lange Bärte, was nun überhaupt keine irische Mode war.
Und dann passten auch die Kleider nicht zu ihnen. Bei keinem. Jeder dieser Herumtreiber in der Schlange war gekleidet wie ein Akademiker. Ein Mann mit Bauarbeiterschwielen an den Grizzlypranken hatte das etwas zu kurz geratene Gewand eines Geistlichen an. Ein anderer, dessen Teint wie sich schälendes Blei mir erzählte, dass er für drei Pence die Nacht in einem miserablen Kellerloch voll giftiger Ausdünstungen hauste, trug eine Halsbinde aus Satin und ein eingedelltes goldenes Monokel. Ein Faustkämpfer mit Ohren wie blühender Brokkoli, der dem Gin erlegen war und in einer Ecke döste, hielt traumverloren einen Gehstock mit elfenbeinernem Knauf umarmt, in den das ärztliche Symbol eingeschnitzt war.
»Also, Männer«, bellte Valentine von der Bühne, mit sprühendem Blick, die Hände in die Hüften gestemmt. Er war nüchtern, wie es bei Parteiversammlungen seine Gewohnheit war. »Ich will jetzt eine deutliche Verbesserung zum letzten Mal erkennen, sonst gibt’s bei der nächsten Trainingseinheit keinen Fusel mehr. Ich kann nicht zulassen, dass die Partei bei den nächsten Wahlen Wolle lassen muss, nur weil wir zu großzügig sind. Los, gebt euch ein bisschen Mühe. Canavan, auf geht’s!«
Der Besoffene im Pfarrerskostüm hielt sein Stück Papier in die Luft wie eine heilige Fahne, dann ging er zielstrebig auf eine grüne Wahlurne zu, die an dem robusten Holztisch stand, an dem mein Bruder lehnte. In dem Moment, als er den falschen Wahlschein in den Schlitz stopfen wollte, packte Val ihn beim Arm.
»Jetzt hör aber auf, du willst dich wohl über mich lustig machen«, spottete Val und quetschte ihm schmerzhaft die Finger. »Du wählst die Demokraten ?«
»Jau!«, quiekte der Emigrant.
»Ich verpass dir eine Tracht
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