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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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glauben wollen, dass der Brief von einem wahnsinnigen Iren stammte – nicht etwa, weil ich das nicht für möglich hielt, sondern weil es eine ganz, ganz schlechte Nachricht gewesen wäre.
    »Das würde Chaos bedeuten«, stimmte ich zu. »Aber dieser Brief hier ... Müssen wir uns Sorgen machen, dass die Zeitungen ihn auch bekommen?«
    »Was meinst du wohl, woher ich ihn habe? Wir haben die Presse gemosselt, genug, dass wir sie für einen Monat oder länger in der Tasche haben. Jeden weiteren Brief händigen sie uns aus. Ein Angestellter des Herald fand das hier heute Morgen im Poststapel. Der Bastard hatte wohl so eine schofle Gaude, seinen Namen gedruckt zu sehen, dass er gleich noch einen nachgeschoben hat.«
    Mein Bruder streckte die Hand aus. Ich wusste, was er wollte, und zögerte. Doch allmählich schien es wirklich eine sinnvolle Strategie, Beweise zu verbrennen. Val zündete am Schreibtischein Streichholz an und sah wie immer fasziniert dabei zu, wie das Papier sich zu Asche verwandelte. Ich wiederum sah ihn an und überlegte meinen nächsten Schritt. Er sollte möglichst etwas schlauer sein als die bisherigen. Aber wie so oft kam mir Val zuvor.
    »Wenn du mit dieser Ermittlung weitermachst«, sagte Val mit einer Stimme so eiskalt und klar wie der vor kurzem angelieferte Eisblock, »dann bestelle ich schon mal die Blumen für deine Beerdigung.«
    »Soll das eine Drohung sein?«
    »Nenn es so, wenn es dir hilft. Das weißt du selbst am besten. Oder nenn es eine Vorhersage, Timmy. Mir ist das egal.«
    »Na wunderbar. Ich werde dran denken. Und jetzt gib mir das Geld, wegen dem mich Matsell hergeschickt hat, sonst erzähle ich ihm, dass sich die Feuerwehrmeute einen Furz um die Befehle des Polizeichefs schert, Captain Wilde.«
    »Gern doch«, erwiderte er fröhlich. »Wenn du scharf darauf bist, dich abmurksen zu lassen, dann kannst du auch mit ordentlich Pomp draufgehen. Du bist also hinter den frischen Parteigeldern her, die noch nicht in den Büchern stehen? Wie viel?«
    »Zehn Dollar sollten genügen. Nein, elf. Hätte ich fast vergessen.«
    »Du hättest fast einen Dollar vergessen?«
    »Er ist für Bird. Sie hat gewettet, dass Finerty es nicht schafft, seinen Wahlzettel in die Urne zu werfen.«
    »Dann hat sie ein schlaueres Köpfchen als du.«
    Das schluckte ich kommentarlos. Val ging zu einer unbeschrifteten Kiste, die auf einem Tresor stand, holte drei Zehn-Dollar-Goldmünzen und eine Ein-Dollar-Münze heraus und schnippte sie mir eine nach der anderen im hohen Bogen mit dem Daumennagel zu.
    »Das ist zu viel«, protestierte ich und fing sie auf.
    »Oh, zurzeit ist unser Säckel gut gefüllt, lieber Tim. Kauf dir von dem, was übrig bleibt, selbst deinen Sarg, dann brauche ich mich nicht damit abzuplagen.«
    Ich wollte ihm gern sagen, dass ich ihn hasste, aber das konnte er mir wahrscheinlich ziemlich gut vom Gesicht ablesen. Wenn er mich angesehen hätte, heißt das.
    »Silkie Marsh hat mir einen Besuch abgestattet. Ich habe sie herzlich von dir gegrüßt.«
    Vals Kopf fuhr in echter Überraschung herum. Er biss einen Moment lang heftig die Zähne aufeinander. »Du hast ihr drei ihrer Pferdchen gestohlen, und dann ist sie dich besuchen gekommen? Dein Ende wird schneller da sein, als ich dachte.«
    »Wie schön für dich. Würde es dir etwas ausmachen, mir zu erklären, warum ein Besuch von Madam Marsh ein so schlechtes Omen ist?«
    »Aber nicht im Geringsten, kleiner Timothy. Ich erkenne lediglich die Umstände wieder«, zischte er durch seine immer noch fest zusammengebissenen Zähne. »Sie hat es auch mit mir schon einmal versucht, weißt du. Oh ja! Habe ich dir nie erzählt, dass sie mich mal zum Schweigen bringen wollte? Oder dass ihr das auch beinahe gelungen wäre?«
    Bird riss ohne anzuklopfen die Tür weit auf. Sie hatte einen kleinen Ranzen gefunden, ihn an sich genommen und ihre alten Kleider hineingestopft. Meine Freundin trug jetzt ein elfenbeinfarbenes Sommerkleid mit Rundhalskragen und hoher Taille, an den Säumen geschmückt mit orangefarbenen Mohnblüten. Sie war viel besser gekleidet, als ich erwartet hatte, wenn es auch wahrscheinlich kein feineres Kleid war, als sie fürs Ausgehen gewohnt war. Doch dieses war ihr eigenes, und die bloße Tatsache machte sie überglücklich. Sie leuchtete geradezu vor Freude, nicht mehr gezwungen zu sein, am helllichten Tag ein Nachthemd zu tragen.
    Ich war darüber selbst so froh, dass ich die Reaktion meines Bruders fast übersehen hätte. Ein

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