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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Schaulustigen. Dann zeigten einige wütend gefletschte Zähne. Bei anderen aber fror das Grinsen ein und verschwand. Ich verstand nicht ganz, warum, war aber ziemlich dankbar, dass es nicht so aussah, als hätte ich einen Kampf zu erwarten. Pfarrer Sheehys Blick schoss zu mir herüber und dann schnell wieder zurück zu seinen Schäfchen. Seine Anspannung ließ nicht nach, doch ich hatte ihm zumindest einen Teil der Last von den Schultern genommen.
    »Ihr habt gehört, was Mr. Wilde gesagt hat, und keiner von euch will wirklich Ärger mit der Polizei bekommen. Geht zurück an eure Arbeit oder in eure Betten. Betet für die Seele dieses Jungen. Betet für diese Stadt.«
    Als ich zu Pfarrer Sheehy ging, der vor dem linken Türflügel stand, sah ich einige der Umstehenden verstohlen mit dem Finger auf mich zeigen und den Kopf schütteln. Der Priester öffnete das Portal einen Spalt, auf seinem Gesicht stand große Erschöpfung. Ich beugte mich zu Neill hinunter.
    »Ich geb dir einen Blechling, wenn du, so schnell du kannst, in die Tombs läufst und dort einen bestimmten Polizisten suchst«, sagte ich. »Er dürfte jetzt gerade seinen Dienst antreten. Sein Name lautet Mr. Piest. Jakob Piest. Wirst du ihn finden?«
    »Aber sicher«, antwortete der Junge und flog davon.
    »Woher kennen die mich?«, flüsterte ich Pfarrer Sheehy zu, als er mich in die Kirche schob.
    »Ich vermute, Sie haben noch nichts von dem Polizisten gehört,der vierzig Runden gegen drei verrückte Iren gekämpft hat, um einen schwarzen Zimmermann zu verteidigen«, sagte er mit einem Seufzer. »Das ist bloß so eine keltische Sage. Jetzt kommen Sie, schnell.«
    Ich drehte mich zu ihm um, ein wenig erschüttert bei dem Gedanken, jetzt plötzlich stadtbekannt zu sein. Wir blieben einen Augenblick am Portal stehen, ich blinzelte, um mich ans Dämmerlicht zu gewöhnen und mich auf den schaurigen Anblick vorzubereiten, dem ich mich nun schon viel zu oft hatte stellen müssen. Doch ich war erfüllt von Zuversicht und Vertrauen in meine neuen Fähigkeiten und bereit, mich in die Arbeit zu stürzen.
    Dann kam schleichend eine animalische Angst herangekrochen und lief mir in einer kalten Spur den Rücken hinunter.
    Ich konnte noch immer nichts sehen. Aber da war ein Geruch. Ein Geruch wie in der Werkstatt eines Eisenhändlers, aber auch wie ein aufgeschnittenes Rippensteak und wie ein Waschbecken in einer Schule. Es roch nach Messern und nasser Erde. Von Grauen gepackt, drehte ich mich um.
    Ein kleiner Schatten war an Händen und Füßen an die Mitteltür der Kathedrale genagelt, darunter war etwas Dunkles, Geronnenes.
    Ich keuchte Worte hervor, die wahrscheinlich noch nie zuvor jemand an diesem Ort der Andacht ausgesprochen hatte. Ich weiß nicht, was es war, Flüche auf jeden Fall. Die Hände fest auf den Mund gepresst, wich ich zurück. Es war keine Glanzleistung, was die Zurschaustellung starker Nerven betrifft. Und ich bin froh darüber. Heute noch. Pfarrer Sheehys Gesicht drückte eine verlorene und ganz menschliche Trauer aus, er wandte den Blick ab von dem, was ich gerade gesehen hatte, und sah wieder mich an, und dann gingen wir schnell fort von dem entweihten Eingangsportal.
    »Sie haben jedes Recht, nach dem Jungen zu fragen, die Nachbarn, meine ich. Nur, wenn sie wüssten, worum es hier geht, würden sie ihn bestimmt nicht sehen wollen. Leider ist das Gerüchtschon seit einer halben Stunde im Umlauf. Ich bin zu spät gekommen. Wer auch immer dieses ruchlose Werk vollbracht hat – möge Gott uns helfen, ihn schnell zu finden –, er hat jedenfalls die Tür zur Straße weit offen stehen lassen.«
    Ich konnte bloß den Kopf schütteln, meine Finger pressten sich immer noch auf meine Lippen, damit mir das Herz nicht davonflog.
    Was ich da vor Augen hatte, konnte einfach nicht wahr sein, und doch war es sehr wohl da, und zwei Männer mit gesundem Verstand starrten in das weit aufgerissene rote Maul des Wahnsinns. Neill hatte es nicht gesehen, das wusste ich, danach brauchte ich nicht zu fragen. Er war zwar im Gesicht bleich wie Pappmaché gewesen, hatte aber fest auf beiden Beinen gestanden. Dieser Anblick hätte Schlimmeres bei ihm bewirkt als die bloße Nachricht von einem neuen Mord.
    »Wer hat ihn denn entdeckt?«
    »Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, da die Tür offen stand. Ich selbst habe es von einer Bettlerin erfahren, die hier die Straße fegt. Der Herrgott allein weiß, wer sonst noch davon gehört hat, denn als ich sie fand, schrie

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