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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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wieder an Pfarrer Sheehy: »Dasfragliche Portal stand offen, sagten Sie? Aber die Kathedrale war doch gewiss abgeschlossen?«
    »Ja, ja. Ich bewahre meine Schlüssel im Pfarrhaus auf, das haben Sie ja selbst gesehen.«
    »Ist irgendetwas zu Bruch gegangen? Ein Fenster, ein Schloss?«
    »Das kann ich kaum sagen. Es ging alles so schnell, und ich musste ja den Eingang bewachen. Hier ist mein Schlüsselbund, er war genau da, wo ich ihn hingehängt hatte. Jemand muss die Tür aufgebrochen haben.«
    »Dann haben Sie noch gar nicht das ganze Gebäude abgesucht, Hochwürden?«, fragte Mr. Piest, der sich die Leiche etwas genauer angesehen hatte, und trat einen Schritt zurück.
    »Ich – nein, ich hab mich nur vergewissert, dass der Unhold fort ist. Soll ich das vielleicht jetzt tun?«
    »Pfarrer Sheehy, führen Sie Mr. Piest durch das Gebäude und achten Sie dabei ganz genau darauf, ob irgendetwas anders ist als sonst«, schlug ich vor. »Ich leihe mir kurz Ihre Schlüssel aus. Ich möchte nachschauen, ob ich herausfinden kann, wie der Mann hineinkam.«
    »Sehr gut. Der Chef wird bald kommen«, setzte mein Kollege hinzu und näherte beschützend seine Hand dem Ellenbogen des Priesters. »Suchen wir nach etwas, das wir ihm zeigen können.«
    Ich nahm die kleine Lampe, die Sheehy benutzt hatte, und Mr. Piest drehte den qualmenden Docht der seinen herauf. Wir trennten uns mit schnellen, aber vorsichtigen Schritten. Ich konnte hören, wie Piest dem Priester mit gewohnt monotoner Stimme Fragen stellte. Kleine Fragen, die den einen beruhigen und dem anderen Hinweise liefern sollten. Wie er denn den Abend verbracht habe? Er sei sehr beschäftigt gewesen, habe ein interkonfessionelles Treffen in der Kathedrale geleitet, bei dem über die Einrichtung einer katholischen Schule debattiert wurde. Ein Dutzend führende Persönlichkeiten seien anwesend gewesen. Und alle seien gegen ihn gewesen.
    »Möchten Sie, dass ich Ihnen erzähle, wie sie mich alle mit Beleidigungen überhäuften?«, fragte er. »Soll ich Ihnen die Namendieser Männer nennen, die alle meinen, ein katholisches Kind dürfe nicht im katholischen Glauben erzogen werden?«
    Um wie viel Uhr er zu Bett gegangen sei? Um Mitternacht. Ob St. Patrick’s denn schon einmal das Ziel von Gewalt gewesen sei? Ja, schon Dutzende Male, aber das sei niemals über das Werfen von Steinen hinausgegangen. Ich schlich an der Wand entlang, mit der höllischen Szene in meinem Rücken, und versuchte, mir nicht vorzustellen, der arme Junge könnte mich sehen. Versuchte, mir nicht vorzustellen, was man ihm angetan hatte, bevor er starb. Die zornige Röte in meinem Gesicht trieb scharfe Nadelstiche in die vernarbte Stelle unter der dünnen Bandage. Als die beiden auf der östlichen Seite auf die Orgelempore stiegen, verlor ich den Faden von Mr. Piests freundlicher Befragung. Und in dem Moment, in dem ihre Stimmen ganz verstummt waren, hörte ich es wieder in meinem Kopf: Das ist nicht richtig.
    Natürlich nicht!, dachte ich.
    Die Seitenwände der Kathedrale waren mit schmalen Buntglasfenstern geschmückt. Auf der Rückseite, wo hinter den Strebepfeilern in kleinen Räumen die Priestergewänder und einige Kultobjekte, die ich nicht zu benennen wüsste, verwahrt werden, gibt es drei weitere Türen. Ich sperrte die rechte Tür auf und trat ins Freie, in eine Andeutung von Kobaltblau, die ankündigte, dass es bald hell werden würde.
    Ich kniete mich hin und untersuchte nacheinander alle Schlösser, ohne genau zu wissen, wonach ich eigentlich suchte. Sie waren aus glattem Eisen und von recht klassischer Machart – sie waren mit Ornamenten verziert und hatten diesen typischen, leicht säuerlichen Geruch. Die glänzend polierte Oberfläche war nicht im Geringsten verkratzt. Wenn ein Schloss geknackt wird, hinterlässt das Spuren, das wusste ich, weil Valentine es einst für seine Pflicht gehalten hatte, mir diese Kunst beizubringen. Ich schrappte mit dem scharfen Ende von einem von Pfarrer Sheehys Schlüsseln über die Oberfläche, und natürlich blieb ein Kratzer zurück. Aber letztlich sagte das nicht viel aus. Wenn ein kaltblütiger Ganove nur geschickt genug und sein Dietrich klein genugwar, konnte er so ein Schloss auch öffnen, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen.
    Ich ging um das Gebäude herum zur Vorderseite, wo dunkelroter Sandstein die Vorübergehenden grüßte. Immer noch standen Leute herum und flüsterten miteinander. Beäugten mich. Ich achtete nicht auf sie und kniete mich ein

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