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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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in der Elizabeth Street flackerte wachsam. Als ich das schwergeprüfte Pferd zügelte und abstieg, dann die Arme zu Bird hinaufstreckte, um sie herunterzuheben, wurde sie mir nach sechs Sekunden schon wieder entrissen. Diesmal von Mrs. Boehm, die aus dem Haus geschossen kam, den Mund zu einem breiten Lachen verzogen, das nicht recht zu dem Wasser in ihren Augen passen wollte.
    »Bist du wohlauf?«, fragte Mrs. Boehm abrupt, es klang, als sei sie ärgerlich, dass Bird sich einfach so hatte entführen lassen.
    »Ich glaub schon«, brachte Bird hervor. »Ist vielleicht noch was von dem Mohnkuchen da oder ist schon alles verkauft?«
    Ich führte das Pferd über die Straße zurück zu dem Krämerladen. Sah mich aufmerksam um. Alles war friedlich und ruhig bei den fleckigen, schweflig riechenden Kohlköpfen in der Auslage, und drinnen an der Plankenbar wurde fröhlich gelallt. Ich band das Pferd an und gab ihm einen Eimer Wasser von der Croton-Pumpe an der Ecke, dann rieb ich es ein wenig mit einem Lappen aus unserem Hof und viel frischem Wasser ab. Wohlige Schauder liefen ihm übers Fell. Das ganze Abenteuer hatte weniger als eine Stunde gedauert. Ich verbuchte es als Pluspunkt für die Kupferstern-Truppe und ging zurück ins Haus.
    »Wo ist sie?«, fragte ich Mrs. Boehm, nahm den Hut ab und setzte mich auf einen Stuhl an den Tisch.
    »Oben, mit Kuchen und einem Glas Milch.« Mrs. Boehm, die damit beschäftigt war, ihre Öfen auszuwischen, drehte sich zu mir um, ihr unscheinbares, freundliches Gesicht war ganz niedergeschlagen. »Ich habe sie gehen lassen. Es war mein Fehler, ich ...«
    »Es war überhaupt nicht Ihr Fehler. Wir müssen nur sichergehen, dass es nicht ein zweites Mal geschieht.«
    Sie nickte. Mit einem langen Seufzer setzte sie sich mir gegenüber.
    »Mrs. Boehm, das mit Ihrem Mann und Ihrem Sohn tut mir leid.«
    Ich wollte sie nicht traurig machen, aber es musste gesagt werden. Vielleicht war es selbstsüchtig von mir. Trotzdem. Der Name auf der Bäckerei, der klarmachte, dass die Bäckerei ihr gehörte – aber zugleich die vielen Stammkunden, die sie schon länger kannten, als das übermalte Schild existierte. Die Art, wie sie mit Bird sprach, während auf ihrem Gesicht nichts von der Ungeduld zu sehen war, mit der Erwachsene sonst mit Kindern sprachen. Sie hörte ihr tatsächlich zu. Sie wusste, wie man warme Umschlägemachte, hatte einen unerschöpflichen Vorrat an Geduld und ein paar Nankinghosen, die sie in einer Truhe weggesperrt hatte.
    »Danke«, sagte sie leise. »Ich nehme an, das war eine Frage?«
    »Nicht, wenn es Sie quält. Nur eine Feststellung.«
    »Vor zwei Jahren wurde Vieh über den Broadway getrieben. Ganz plötzlich bekamen die Viecher es mit der Angst zu tun, und das Ganze geriet außer Kontrolle.« Sie zögerte, rieb mit dem Daumen einen glänzenden Butterfleck auf dem Holz weg. »Manchmal frage ich mich, ob ich die Gefahr vielleicht eher gehört hätte, wäre ich dabei gewesen. Das Stampfen, das Hufgetrappel. Aber sie waren zu schnell für Franz, und Audie saß auf seinen Schultern.«
    »Das tut mir leid«, sagte ich erneut.
    Mrs. Boehm zuckte mit den Schultern, als wolle sie mir bedeuten, ich trage keine Schuld daran, auch wenn die Wunde sich noch nicht geschlossen hatte. »Ich habe ein Geschäft und ein Zuhause. Als es passierte, sagte eine Nachbarin zu mir, ich könne froh sein, dass mir noch so viel geblieben sei, und es sei der Wille Gottes. Was für eine dumme Frau«, schloss sie. »Zu sagen, Gott erschaffe etwas Junges und Vollkommenes, um es dann zu zerschmettern. Wieso sollte er sich die Mühe machen? Dumme Leute glauben, Gott denke genau wie sie selbst. Vielleicht gibt es Gott nicht, aber dass er dumm ist, das kann ich nicht glauben.«
    Jemand klopfte an die Tür. Ein leises, kleines Tocktocktock.
    Vorsichtig öffnete ich. Dieses Geräusch kam mir seltsam vor, nicht nur, weil es so leise war, und als ich sah, wer es war, wusste ich auch, warum. Die Fingerknöchel waren ziemlich klein, und die Stelle, an der sie geklopft hatten, befand sich einen Meter tiefer als normal.
    »Neill«, sagte ich, »ist etwas passiert?«
    Neill rang nach Luft. Er trug gebrauchte Kleider von guter Qualität – ein Baumwollhemd und eine gestreifte Tweedweste und Hosen aus Kordsamt, die seine blanken Knie nicht ganz bedeckten.
    »Pfarrer Sheehy braucht Sie in St. Patrick’s. Er konnte nicht selbst kommen. Hat mich geschickt. Er passt auf die Kirche auf,so gut er kann, aber er braucht Sie,

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