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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Drei von ihnen hatten allerdings ein blaues Auge und eine aufgeplatzte Lippe aufzuweisen.
    »Was geht hier vor?«, fragte ich.
    »Wir hatten ’nen Streit.« Die gespenstisch erwachsen wirkenden Augen von Zunder sahen müder aus als sonst. Er fuhr sich mit den Fingern durchs schwarze Haar, dann setzte er sich im Schneidersitz vor eine geschmolzene Pyramide aus Wachsrampenlichtern.
    »Ihr habt die schwarze Kutsche gefunden«, mutmaßte ich.
    Stille. Einer der von Prügeln gezeichneten Jünglinge, ein schlaksiger Bursche, schnaubte leicht und blätterte die Seite seiner Zeitung um. Aber ich spürte unbändigen Stolz.
    Meine Idee hatte tatsächlich funktioniert!
    »Hört zu, diese Stadt entwickelt sich gerade zu einem Alptraum, ihr tätet also gut daran, mir alles zu verschiefern.«
    Hohlauge rieb heftig die Murmel in seinem Gesicht und fragte: »War da ... hing da wirklich ein gefezzter Strabanzer, wie Je–«
    »Ja, das stimmt«, sagte ich hastig. »Und ihr wisst ja, wie dasmit Gerüchten so ist. Wenn es nicht in der Nachmittagszeitung stand, dann nur deshalb, weil der Polizeichef es verhindert hat.«
    »Es stand aber drin«, belehrte mich Giftzahn.
    Nach dieser Neuigkeit musste ich erst einmal Luft holen. »Jungs, ich brauche diese Kutsche, und zwar dringend«, sagte ich flehend.
    »Ihr habt’s gehört«, sagte Giftzahn zu der kleinen Truppe kampfgebeutelter Burschen in einem seltsamen Ton, den ich nicht recht zu deuten wusste. »Verschiefert ihm alles.«
    » Denen da hab ich’s schon verschiefert«, sagte der Schlaksige und deutete mit einem schmutzigen Finger auf Alle Neune und Zunder. »Und dafür hab ich gleich was in die Fresse gekriegt.«
    »Und ich semmel dir gleich noch eine rein, wenn du wieder diese Geschichte erzählst, Tom Cox«, knurrte Alle Neune.
    »Das wirst du nicht, zumindest nicht, solange ich hier bin«, sagte ich entschlossen. »Nun spuck’s schon aus, wo ist die Kutsche?«
    »Keine Ahnung. Wir haben sie verloren«, murmelte Tom Cox.
    »W as ? Na gut, dann sag mir, wo sie gewesen ist.«
    »Stand vor ’ner Kneipe beim St. John’s Park, wo wir die Nachmittagsflebben verkauft haben. Fuhr grad weiter, als wir sie entdeckt haben. Wir haben aufgehört zu malochen und sind ihr anderthalb Meilen durch den Verkehr hinterhergetrabt. Dann hat sie vor ’ner Jaske aus Backstein gehalten. Und dann stieg eine Person aus«, sagte er und funkelte Alle Neune herausfordernd an. »Und diese Person ging rein in die Jaske, machte die Tür hinter sich zu, und dann fuhr die Kutsche weg. Das hab ich gesehen, so deutlich wie meine Hand hier. Und die andern auch, wie sie hier stehn. Danach sind wir abgehauen, hierher zurück. Wussten nicht, was wir davon halten sollen.«
    »Zum letzten Mal: Wer stieg aus der Kutsche und ging in die Kirche?«
    »Wenn du noch einmal Mercy Underhill sagst«, fauchte Alle Neune, nahm seine Brille ab und reichte sie Giftzahn, »dann hauich dich so lange durch, bis ich dir deine breite Kartoffelklappe gestopft hab.«
    »Du witscher Bauer«, blaffte Tom Cox zurück und sprang auf die Füße. »Sie hatte das grüne Kleid an, das mit den freien Schultern und dem Farnmuster, das wir alle schon viele Male ...«
    Ich packte Alle Neune beim Kragen, bevor er sich auf seinen Kameraden stürzen konnte. Aber den Kopf hatte ich ganz woanders.
    Das grüne Kleid mit dem Farnmuster. Darin hatte ich sie das letzte Mal im März gesehen, gegenüber von Niblo’s Gardens. Als wär’s ein Bild aus einem Geschichtsbuch. So lang war das her.
    Sie hatte ihren Korb am Arm schlenkern, er war randvoll mit halb vollendeten Kurzgeschichten. Mercy war tagelang zu Hause eingesperrt gewesen, weil sie Schüttelfrost gehabt hatte, doch sie sah wieder gut erholt aus, hatte eine ganz gesunde Farbe, und ich hatte gar nicht gewusst, dass es ihr wieder gutging, am Vorabend hatte ich dem Reverend noch eine Flasche Kräuterlikör gebracht und ein Buch, das ich für sie gekauft hatte. Er hatte sich bei mir bedankt, als seien meine kleinen Aufmerksamkeiten große Talismane, denn für Thomas Underhill ist nichts auf Erden so schlimm, wie wenn Mercy krank ist. Aber da stand sie, nicht ganz im Gleichgewicht, wie es nur die schönsten Statuen sind, und sie hatte während ihrer Genesung ihre Ode fertig geschrieben, und mitten auf der Straße gab sie sie mir zu lesen, während Sonnenstrahlen weißen Glanz auf ihr schwarzes Haar zauberten.
    Wenn Mercy aus der Kutsche gestiegen war, die dem Mann mit der schwarzen Kapuze gehörte, dann

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