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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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gern. Sie haben mich mit in Ihr Haus genommen.«
    »Das ist schon in Ordnung, Bird.« Wenn sie lügen konnte wie ein Zähneausreißer, bei Gott, dann durfte ich das auch hin und wieder. »Das war nicht deine Schuld. Auf gar keinen Fall. Wir beide sind uns eigentlich ganz ähnlich.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Leute wie du und ich, wir geben uns nicht lange damit ab, über solche Sachen nachzugrübeln, darüber, was uns verletzt, was uns beschmutzt«, sagte ich zu ihr und drückte ihre Schulter ein wenig fester. »Wir laufen einfach weiter. Nichts ist je sauber hier in New York.«
    Am späten Nachmittag setzte ich Bird und Mrs. Boehm an der Haltestelle Broome Street in den Omnibus nach Harlem. Auf dem Rückweg dachte ich darüber nach, was ich jetzt am besten tun sollte. Die Luft hing dick und schmutzig wie Zigarrenrauch im schwindenden Licht. Ich beschloss, beim Theater vorbeizuschauen und bei meinen Zeitungsjungen ein kleines inspirierendes Feuer zu zünden. Diese Burschen anzuwerben, war so ziemlich die beste Idee gewesen, die ich bisher gehabt hatte, und ich hatte sie großzügig bestochen. Eine Gegenleistung war angezeigt. Doch als ich in die Elm Street kam, entdeckte ich, dass man schon nach mir suchte. Mein kleiner Verbündeter war offenbar auf dem Weg in die Tombs, schaute sich forschend um und blieb stehen, sobald er meinen Hut erblickte.
    »Da sind Sie ja!« Alle Neune setzte seine Damenbrille mit Goldrand ab und putzte sie sanft in offenkundiger Erleichterung. »Sie sind ja schwer aufzutreiben, Mr. Wilde.«
    »Na, jetzt hast du mich ja gefunden.« Mein Puls ging ein wenig schneller, denn er wirkte zwar stabil, aber irgendwie mitgenommen. Eben so, wie ein Junge aus der Wäsche schauen würde, wenn er eine gewisse schwarze Kutsche gesichtet hatte. »Was gibt’s Neues?«
    »Schschsch!«, zischte er durch die Zähne und machte eine Kopfbewegung in Richtung des Theaters.
    »Ich war’s nicht, der – egal, ’s hat jedenfalls ganz schön Mackes gegeben. Hab auch mitgemischt, hab einen gekufft. Los, beeilen Sie sich.«
    »Warum habt ihr Jungs euch denn geprügelt?«
    »Sie werden’s gleich sehen«, sagte er mit einem Seufzer und beschleunigte seinen Schritt.
    Wir befanden uns kurz vor den Five Points, als es passierte. Mit der untergehenden Sonne wurden die Schatten um uns herum immer dichter, die scharfen Winkel immer schräger. Armselige Gebäude stützten einander, und noch armseligere Bewohner lehnten an den Wänden. Der übliche Anblick. Dann geriet ich ins Stocken. Und zwar ganz plötzlich. Es ist ein höchst eigentümliches Gefühl, wenn einem ein Messer an die Rippen gehalten wird.
    Man erstarrt augenblicklich, sobald die Messerspitze das Fleisch berührt, als habe ein Zauberer einen in Marmor verwandelt.
    »Du hältst die Klappe! Sonst fezz ich dir hier und jetzt ein Loch in den Buckel«, knurrte Moses Daintys Stimme hinter meiner rechten Schulter. Ein Scales-förmiger Schatten verriet mir, dass er nicht allein war und dass Valentines Handlanger jetzt in der Überzahl waren. »Gib mir deinen Kupferglanzer.«
    Ich tat es und knirschte mit den Zähnen, als das Messer mir ins Fleisch biss.
    »So isses richtig. Und jetzt, linksrum!«
    Ich drehte mich mit einer Grimasse um und wollte Alle Neune zurufen, er solle die Beine in die Hand nehmen. Aber er war schon in die Rauchschwaden am Ende der Straße entschwunden,so dass ich mir die Mühe nicht machen musste. Wir gingen über die belebte Anthony Street in Richtung Osten, während mir bereits ein wenig Blut den Rücken hinunterrann. Wir waren jetzt tief in den Five Points, dem elendsten Viertel in ganz Manhattan, und ich dachte schon, sie wüssten selbst nicht recht, wohin sie eigentlich wollten. Aber dann bogen wir nach Norden in eine Gasse ein, und ich wusste, dass mir Übles bevorstand.
    Ich war noch nie durch die Cow Bay gegangen. Sobald wir den Fuß in die düstere Gasse setzten, wusste ich auch wieder, warum. Die Gasse, einstmals ein Kuhpfad, wurde immer enger, je weiter wir kamen, und der Dreck schichtete sich immer höher, ein enger Streifen Hölle. Vor der Panik von 1837 hatte es dort afrikanische Kneipen gegeben, in denen viel gelacht wurde, Freudenhäuser, in denen sowohl Farbige als auch Weiße schwarze Dirnen mit sanften Stimmen finden konnten. Aber das war vor der Panik gewesen. Am Anfang der Gasse sah ich im dämmrigen Licht zwischen den Gebäuden, die sich nach außen zu neigen schienen, Stiegen, die zu einer Art von Bar hinunterführten,

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