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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Marsh aufgehalten, die schuldbewusst und besorgt dreinblickte.
    »Ist alles in Ordnung, Mr. Wilde? Wissen Sie, ich hatte befürchtet, die genaue ... die genaue Verbindung zwischen mir und Miss Underhill könnte Ihnen nicht ganz klar sein.«
    »Sie haben nur genau das gesagt, was nötig war, damit ich unverzüglich durch diese Tür da stürzte«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Aber das ist nicht wahr. Bitte tun Sie’s nicht, hab ich gesagt.«
    Das stimmte. Dass ich jetzt von dieser traurigen, unschönen Sache wusste, das war allein meine Schuld.
    »Aber vielleicht haben Sie mich ja missverstanden?« Jetzt lächelte Silkie Marsh.
    »Diese verlogene kleine Hure«, säuselte sie. »Sie lieben sie, nicht wahr? Ja, das ist offensichtlich, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, warum. Wie sie mich immer angeschaut hat, hier, in meinem Haus, wenn sie nach einem der Kinder gesehen hat, die ich kleide und ernähre! Ich wünsche niemandem etwas Böses, Mr. Wilde, aber vielleicht lehrt es diese Person ein wenig menschliches Mitgefühl, dass sie nun weiß, wie wir anderen uns fühlen, wenn wir die Beine öffnen.«
    Ich habe schon einmal etwas Ähnliches gesehen wie ihren Gesichtsausdruck, aber nicht bei einem Menschen, sondern in den Augen eines tollwütigen Hundes, wenige Sekunden, bevor ein Hydranten-Kontrolleur, besorgt um die Sicherheit der Bürger, ihm den Schädel einschlug.
    »Ich werde Sie noch lehren, was Mitgefühl ist«, sagte ich, als ich zur Tür hinausging. »Ich werde Sie nicht festnehmen, weil Sie mir diese beiden Tölpel auf den Hals gehetzt haben, damit sie mich kaltmachen. Das wäre lächerlich. Aber das ist auch schon das letzte bisschen Mitgefühl, das Sie je von mir bekommen werden. Und Sie werden es brauchen, denken Sie dran.«
    Als ich wieder auf die Straße trat, fühlte ich mich so grauenvoll, als hätte man mein Innerstes nach außen gekehrt. Ich beugte mich vor, stützte die Handflächen auf die Knie und rang nachLuft, als sei ich gerade halb ertrunken aus einem reißenden Strom gezogen worden. Mich verloren fühlen – darin bin ich nie gut gewesen. Wenn ich so tief unten angekommen bin, dann weiß ich gar nicht, was ich mit mir anfangen soll, ob ich mein trauriges Leben in einem Viertelliter Whiskey auflösen soll oder besser gegen eine Wand boxen, bis ich mir die Hand gebrochen habe. Das sind beides durchaus wirkungsvolle Ablenkungen, ich hab’s ausprobiert, aber der Effekt ist nicht von Dauer.
    Dagegen habe ich für Wut eine ungeheure Begabung. Was Wut angeht, bin ich ein wahrer Meister.
    Und da ich Mercy nicht zwingen konnte, mir den Namen des Mannes mit der schwarzen Kapuze zu verraten, und da ich Bird ein Versprechen gegeben hatte, das mich daran hinderte, mich auf der Stelle in den Hudson zu stürzen, war ganz offensichtlich die einzige gute Idee, die mir geblieben war, meinen Bruder umzubringen.

22
    Letzter Wahltag; wieder wurde der öffentliche Friede durch schreckliche Krawalle zwischen Iren und Amerikanern gestört. Der Bürgermeister rückte mit einer starken Truppe von Wachleuten an, doch sie wurden angegriffen und überwältigt, und viele der Wachmänner wurden dabei schwer verletzt.
    Aus dem Tagebuch des Philip Hone,
    10. April 1834.
    Silkie Marshs Bordell lag fünf Gehminuten von Valentines Polizeiwache entfernt, und es war neun Uhr abends. Mein Bruder war bestimmt in seinem Büro. Und wenn nicht dort, dann im Liberty’s Blood. Ich war schon auf halbem Wege zur Polizeiwache, als ich bemerkte, dass in der Stadt etwas viel Schlimmeres als meine Mordlust umging: Die Nachmittagsausgabe des Herald war unser Ruin.
    In der Greene Street und der Prince Street hatten die Bewohner zur Straße hin die Vorhänge zugezogen, und manche hatten sogar die Fensterläden geschlossen, trotz der drückenden Hitze. Auf den Fensterscheiben lag ein schmutziger Schweißfilm. Ich sah immer wieder, wie nervöse Finger die Vorhänge leicht beiseiteschoben, um auf die Straße hinauszustarren. Ein Mann, der so gut gekleidet war, dass er ein Beamter hätte sein können, dabei aber so muskelbepackt, dass ich ihn augenblicklich als Partei-Rowdy identifizierte, saß auf den Stufen vor seinem Haus und rauchte eine Zigarre, einen Knüppel zwischen den Knien. Er wartete auf den ersten Donnerschlag. Und wie es schien, würde der nicht mehr lange auf sich warten lassen.
    Ich brauchte niemanden, der mir erklärte, was das alles bedeutete, also schlug ich eine andere Richtung ein und begab mich ins Herz

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