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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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sich behaupten?«
    »Ich hatte nichts. Und das ist immer noch so. Ich habe nur einen verrückten Bruder und einundzwanzig kleine Leichen.«
    Und dann blieb mir fast das Herz stehen.
    Ich nehme an, das kam daher, dass ich diese beiden Tatsachen gleich hintereinander nannte. Als hätte ich ein Bild in Stücke gerissen und dann wieder anders zusammengesetzt.
    Val. Valentine.
    Meine Gedanken rasten in alle Richtungen zugleich.
    Ich hatte es immer für möglich gehalten, dass die beiden hasserfüllten Briefe aus der Hand des Gottes von Gotham das Werk eines tollwütigen Nativisten waren, der bei der Polizei arbeitete. Für wahrscheinlich sogar. Der dritte Brief jedoch – der war ebenso gestört wie verstörend.
    Und er war unter dem Einfluss von... irgendetwas geschrieben worden.
    Von Morphium vielleicht? Vermischt mit irgendeiner anderen Substanz, die gerade zur Hand war? Laugendämpfe? Haschisch? Laudanum?
    Mir war schlecht.
    Aber das kann nicht sein , sagte ich mir in meiner Verzweiflung immer und immer wieder, während mein Blut rückwärts durch die Gefäße floss und mein Kopf sich anfühlte, als sei ich sturzbetrunken. Nur weil er versucht hat, dich umzubringen, heißt das ja noch lange nicht, dass ... Nur für seine gottverfluchte Partei hat er das getan, und tote Schratzen sind das Allerletzte, was sie jetztgebrauchen können. Er hat dich schließlich zu Liam geführt, verflucht. Und Bird. Bird vertraut ihm, Bird ...
    Bird kannte ihn aus der Zeit, als er Silkie Marshs Haus frequentierte, und war ein paar Stunden, nachdem sie ihn wiedergesehen hatte, in die Fürsorgeanstalt verschleppt worden.
    Als er in meiner Gegenwart Madam Marsh befragt hatte – hatten die beiden da in Wirklichkeit unter einer Decke gesteckt und versucht, mich nach Strich und Faden an der Nase herumzuführen? Hatte ich an jenem Tag nichts begriffen, und war mein eigener Bruder der schlimmste Abgrund von allen?
    Meine Hände zitterten so heftig, dass ich die Handflächen fest aufeinanderpressen musste. In meinem Kopf ging ich noch einmal die Liste von Vals zweifelhaften Beschäftigungen durch.
    Rauschgift, Alkohol, Bestechung, Gewalttätigkeit, Glücksspiel, Diebstahl, Betrug, Erpressung, Unzucht aller Art.
    Ritualisierter Kindermord.
    »Das kann nicht sein«, sagte ich laut. »Nein, das ist unmöglich.«
    »Was kann nicht sein?«, fragte Mercy, die immer noch damit beschäftigt war, ihr Haar hochzustecken.
    »Mein Bruder. Er setzt mir dauernd zu, ich solle mit dieser Ermittlung aufhören, aber das kann doch unmöglich deshalb sein, weil er einfach Angst hat, es würde mich zu ...«
    »Zu was ?«
    »Zu ihm führen.«
    Mercy nahm ihre Lippe zwischen die Zähne und warf mir unter den Wimpern hervor einen mitleidigen Blick zu. »Val würde nie einem Kind etwas zuleide tun. Das wissen Sie ganz genau, oder?«
    Ich starrte sie an.
    Oh lieber Herrgott!
    In den nächsten fünf Sekunden wusste ich nicht mehr, ob ich überhaupt noch atmen konnte oder ob Atmen einfach kein geeigneter Zeitvertreib mehr für mich war.
    Die Leute erzählen mir Sachen, die sie mir eigentlich gar nicht sagen wollen. Ich bin ein wandelnder Beichtstuhl mit einem kantigenKinn, ein drahtiger, nicht sehr hochgewachsener Polizist mit grünen Augen, einem aschblonden spitzen Haaransatz und einem Dreiviertelgesicht. Aber ich könnte genauso gut ein wandelnder Sarg sein, wenn man bedenkt, was mir das eingebracht hat.
    »Sie haben ihn gerade Val genannt. Ihr erstes Mal, das war er, nicht wahr?«
    Das Schweigen, das ich erwartet hatte, legte sich zwischen uns.
    Das Schweigen, das Ja bedeutete.
    »Wir waren ständig in Ihrem Haus«, setzte ich wie ein Idiot hinzu, um den stummen Schrei zu vertreiben. »Als Sie dachten, es sei Liebe, da sprachen Sie von Val.«
    Mercy antwortete nicht. Ihr Haar war fertig frisiert, ausgenommen die Strähne auf der linken Seite, die sich einfach nicht bändigen lässt.
    »Was hat Sie so gegen Valentine aufgebracht?«, murmelte sie. »Warum würden Sie ihm sogar einen Kindermord zutrauen?«
    »Er hat gerade versucht, mich umzubringen.«
    Mercy sah mich böse an, als sie ihren grauen Umhang anzog. Es war ein freundlicher böser Blick, falls es so etwas gibt.
    »So etwas hat Ihr Bruder nicht getan. Jemand hält Sie zum Narren. Wer hat Sie angegriffen?«
    »Scales und Moses Dainty, die beiden Schoßhündchen von Val.«
    Mercy lachte. »Sie meinen die Schoßhündchen von Silkie Marsh. Aber sie bezahlt die beiden sehr gut, damit sie über ihr Arrangement

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