Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
das nie vergelten können.«
    »Ich habe Dringendes zu erledigen«, antwortete ich und setzte mir den Hut wieder auf.
    »Natürlich. Ich werde mich Ihnen ein andermal dankbar zeigen. Aber wie wollen Sie es anstellen, dieses grauenvolle Rätsel von St. Patrick’s zu lösen? Nur ein Wilder würde so etwas tun.«
    »Ich werde zum Tatort zurückkehren«, sagte ich.
    »Und dann?«
    »Dann werde ich eine Frage stellen.«
    »Eine Frage? Aber was glauben Sie, was passieren wird?«
    »Dann werde ich einen Mörder aufsuchen«, sagte ich, tippte ernst an meinen Hut und schloss die Tür hinter mir.
    *
    Als ich zu St. Patrick’s kam, konnte ich von der Ecke aus schon erkennen, dass seit dem Krawall nichts Schlimmes mehr passiert war. Alles war sauber. Eine gründliche, heftige Sauberkeit, die sich selbst auf die Granittreppen, die Sandsteinmauern und die drei Holztüren erstreckte. Ich hätte mich nicht weiter gewundert, wenn Pfarrer Sheehy auch die Eiche im Kirchhof abgeschrubbt hätte. Ein launisches, angenehmes Lüftchen wehte über der seltsam ruhigen Straße.
    In der Kathedrale schickte mich ein Messdiener, der damit beschäftigt war, das Kirchengestühl abzustauben, weiter in die Sakristei des Priesters. Ich klopfte an die Tür und wurde freundlich aufgefordert, hereinzukommen. Pfarrer Sheehy war nicht bei der Arbeit, zumindest sah es nicht danach aus. Er stand da, den haarlosen Kopf leicht zur Seite gelegt, und blickte gedankenvoll auf ein religiöses Gemälde. Das Kunstwerk war alt und zeigte einenetwa sechzigjährigen Mann mit weißem Haar und freundlichem Gesicht, der einen mit Gold überzogenen Stab in Händen hielt.
    »Mr. Wilde«, begrüßte mich Pfarrer Sheehy. »Haben Sie gute Fortschritte zu verzeichnen?«
    »Ob gut, weiß ich nicht. Wen betrachten Sie da so eingehend?«
    »Der heilige Nikolaus ist immer ein Mann nach meinem Herzen gewesen, und in letzter Zeit hatte ich oft das Gefühl, ich müsse ein Wort mit ihm reden, denn er ist ja der Schutzpatron aller Kinder.«
    »Ist er das?«
    »Aber sicher.«
    »Eine mächtig schwierige Aufgabe«, murmelte ich unwillkürlich.
    Pfarrer Sheehy nickte nur. »Er ist der Richtige dafür, auch wenn seine Arbeit endlos sein muss. Es gibt eine Legende, Mr. Wilde, in der der heilige Nikolaus ein Dorf besucht, in dem eine Hungersnot herrscht. Es wächst dort kein einziges Hälmchen mehr, alles tot wie Staub. Schreckliches Leid hat das Dorf erfasst, und es wird immer schlimmer, Tag für Tag, so wie ich es für mein Heimatland im nächsten Jahr befürchte. Bis eines Morgens ein Mann, von Hunger und Armut in den Wahnsinn getrieben, drei Kinder tötet und in Stücke hackt. Um das Fleisch zu verkaufen, verstehen Sie? Aber unser Sankt Nikolaus, dieser von Gott gesegnete heilige Mann, durchschaut das böse Spiel. Und entlarvt ihn.«
    »Das ist eine schreckliche Geschichte.«
    Der Priester lächelte milde. »Und klingt, so denken Sie, nur allzu bekannt. Aber der heilige Nikolaus tat noch mehr – er hat sie alle drei von den Toten erweckt. Und daher habe ich ihm gesagt, wir wüssten es sehr zu schätzen, wenn er sich in seinen Gebeten für uns einsetzen würde.«
    »Was geschah mit dem Schlächter?«, fragte ich, als Pfarrer Sheehy zu seinem Schreibtisch ging und mir einen Stuhl anbot.
    Er wirkte überrascht und fuhr sich mit der Hand über den Kopf. »Das ist eine interessante Frage, Mr. Wilde, und es ist eineSchande, dass ich sie Ihnen nicht wirklich beantworten kann. Wenn Bischof Hughes wieder da ist, werde ich mich danach erkundigen. Ich war gezwungen, ihm von der jüngsten Tragödie Mitteilung zu machen. Er ist auf dem Rückweg von Baltimore. Aber kann ich Ihnen vielleicht sonst irgendwie behilflich sein?«
    »Ich habe nur noch eine Frage«, antwortete ich bedächtig. »In der Nacht, bevor Marcas gefunden wurde, da hatten Sie eine Versammlung, in der es darum ging, für die katholischen Kinder von New York katholische Schulen einzurichten. Das heißt, irische Schulen für die irischen Kinder.«
    »Ja.« Es klang kurz und trocken wie ein Türenknallen.
    »Es verlief nicht gut für Sie?«
    »Ich weiß nicht, Mr. Wilde, ob Sie je das Traktat Ist der Papismus mit der Bürgerlichen Freiheit vereinbar? gelesen haben?«, fragte er mit einem vollkommen freudlosen Lächeln. »Sollte das nicht der Fall sein, dann vielleicht eine reißerische Geschichte mit dem Titel Die schrecklichen Enthüllungen einer Nonne aus dem Kloster Hotel Dieu , publiziert von Harper Brothers? Nein? Nun, dann

Weitere Kostenlose Bücher