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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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wussten Sie möglicherweise noch gar nicht, dass es unter den Priestern zum heiligen Ritus gehört, Nonnen zu schänden und die kleinen Früchte ihrer Vereinigung dann in Löchern in den Kellergewölben der Klöster verschwinden zu lassen. Selbstverständlich gibt es da in der Bevölkerung gewisse Befürchtungen .«
    Das letzte Wort spuckte er so heftig aus, dass mancher unerschrockene Mann zurückgezuckt wäre.
    »Ich weiß, Sie sind zornig über diese Verleumdungen. Das ist Ihr gutes Recht.« Ich zögerte. »Aber geschehen dergleichen Dinge manchmal wirklich, Hochwürden?«
    Mit zusammengebissenen Zähnen antwortete er: »Und ob! Überall auf der Welt, und jeden Tag, bei Hindus, Türken, Anglikanern, Protestanten und Katholiken. Aber ich werde solche abstoßenden Taten nicht verhindern können, indem ich meinen Gott verleugne, Mr. Wilde. Denn hätte ich Gott nicht an meiner Seite, wie sollte mir da jemals irgendetwas gelingen?«
    Ich beugte mich vor. »Nach dieser Zusammenkunft, als allewieder auseinandergingen, hat da irgendjemand eine Spende gemacht? Für das Waisenhaus oder für die Kirche?«
    Der Priester zog eine Braue hoch. »Das hat tatsächlich einer getan, es war das Ergebnis zahlreicher freundlicher Einladungen meinerseits, ganz wie der Bischof es immer gehalten hat.«
    »War es Kleidung oder Essen, vielleicht ein großer Sack? Es war spät, und Sie hatten mit vielen wichtigen Leuten zu sprechen. Sie haben sich bei ihm bedankt. Sie waren froh, dass er zu Ihnen gekommen war. Sie waren an allen Ecken und Enden beschäftigt und ließen den Sack erst einmal liegen.«
    »Ja«, sagte er. Ein hilfloses, verwirrtes Beben ging über sein Gesicht.
    »Ist der Sack noch hier?«
    Der Priester erblasste, bis alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen war, dann legte er die Hand auf den Mund. Als wäre seine Antwort giftig und er könne es nicht über sich bringen, sie auszusprechen. Er tat mir leid, aber ich konnte mir den Luxus des Wartens nicht leisten.
    »Pfarrer Sheehy, bitte schreiben Sie mir den Namen des Spenders auf. Sie schreiben ihn einfach auf ein Stück Papier und geben es mir. Damit ich mehr habe als nur meine Schlussfolgerungen.«
    Seine Hand zuckte einmal. Dann tat er es. Er nahm sich ein Stück Papier und einen Federkiel, seine Miene war ebenso erstarrt wie die des heiligen Nikolaus an der Wand.
    Seltsamerweise dachte ich, während er mit der Niederschrift das Schicksal eines Menschen besiegelte und ich ihm dabei zusah, nicht darüber nach, was als Nächstes kommen würde. Darüber, was ich tun musste, was das Papier bedeutete . Ich dachte über das nach, was Mercy mir im Washington Square Park erzählt hatte. Dass Schreiben so etwas Ähnliches war wie Landkartenzeichnen. Und dass sie ihre inneren Grenzen nie kennenlernen würde, wenn sie sie nicht niederlegte – wie ein Landvermesser mit einer Schnur und einem Astrolabium, der gedankenvoll einen Fluss mustert. Mir wurde klar, dass ich, weil ich nicht so geschickt mit Worten umgehen konnte, dasselbe mit Metzgerpapier machte.Dann musste ich an ihr verbranntes Buch denken, und da schämte ich mich, wie ich mich noch nie geschämt hatte, dass ich sie in dieser Nacht allein gelassen hatte.
    Der Priester überreichte mir das Papier. Der Name darauf überraschte mich nicht. Ich faltete es zusammen und steckte es in die Westentasche.
    »Ich bin noch neu in meinem Beruf«, sagte ich, »aber glauben Sie mir, ich werde diese Sache zu einem Abschluss bringen.«
    Ich schüttelte ihm die Hand. Dann drehte ich mich um und wollte gehen.
    »Sankt Nikolaus war, wie man sich erzählt, nur einen Meter fünzig groß, Mr. Wilde. Er war ein sehr kleiner Mann.«
    Mit einem Blick zurück auf das Bild sagte ich: »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Gott sucht sich schon seine Werkzeuge.« Er sprach leise und starrte auf seine Hände. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, ich bitte um Verzeihung.«
    »Könnte ich mir Ihre Pistole ausleihen?«, war darauf wohl die einzige vernünftige Antwort.
    Als ich die Kathedrale mit seiner Pistole in der Manteltasche verließ, fragte ich mich, welchen Gott er meinte, denn ich selbst hatte keinen bestimmten. Diese elende Ermittlungsarbeit war in jedem Augenblick auf mein Blut, meinen Schweiß, meinen Verstand und meinen Wissensdurst gegründet. Aber wenn es da eine unsichtbare Kraft an meiner Seite gab, wäre ich ein Narr gewesen, sie ausgerechnet jetzt zu verärgern. Also ließ ich all diese Gedanken ruhen und sagte nur im Stillen ein

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