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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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nicht schon früher gewusst hatte, wie die Anfänge aussehen. Denn ich hatte tatsächlich schon einmal so eine Miene gesehen, die ausdrückte, dass das Ende gekommen war. Auf dem Gesicht von Eliza Rafferty.
    »Wo ist Mercy?« Meine Hand mit der Pistole hing locker an meiner Seite herunter. »Warum wollen Sie Ihre Kleider verbrennen?«
    »Mercy ist fort. Dahingegangen«, sagte er mit hohler Stimme. »Das ist alles, was von ihr übrig ist.«
    Mein Körper wurde ganz starr. Die Pistole fühlte sich schwer an in meiner Hand. »Sagen Sie mir, was Sie mit dahingegangen meinen, Reverend. Haben Sie ihr etwas angetan?«
    »Wie?«, murmelte er und sah einen Moment auf. »Warum sollte ich meinem kleinen Mädchen etwas antun? Sie hatte hohes Fieber, ihre Haut war brennend heiß. Ich tat, was ich konnte, doch jetzt ist es zu spät.«
    Wenn Sie jemals an einem stürmischen Novembertag an Deck einer Fähre gestanden haben, brauche ich Ihnen das Gefühl der Übelkeit, das mich überkam, nicht zu beschreiben.
    Du hast sie einfach zurückgelassen. Du feiger, grausamer Hund. Du hast sie in ihrem grünen Kleid mitten im Zimmer stehen lassen. Und sie hat dir noch nachgerufen.
    »Letzte Nacht war sie noch wohlauf«, sagte ich verzweifelt.
    »So etwas kann sehr schnell gehen. Alles geht immer so schnell, Timothy. Ich wollte brennen, so wie sie, wissen Sie, aber vielleicht wären Sie bereit, sie zu bestatten? Uns zu bestatten? Würden Sie das tun? Ich werde Ihnen sagen, wo sie ist, aber zuerst müssen wir uns unterhalten. Ich glaube nicht, dass Sie schon alles verstanden haben.«
    Da sah ich, was neben dem Kerzenleuchter auf dem Tisch lag. Ein kleines Büchlein. Die Seiten, die ich sehen konnte, waren mit mindestens sechs verschiedenen Handschriften vollgekritzelt, die meisten ziemlich ungeübt, und es gab eine hübsche Zeichnung von einem Hund mit Schlappohren. Marcas’ Tagebuch. Wenn meine Übelkeit noch größer hätte werden können, dann wäre es jetzt geschehen.
    »Worüber müssen wir uns unterhalten, bevor Sie mir sagen, wo Mercy ist?«
    »Ich habe es nicht gern getan, aber es wollte ja keiner auf mich hören. Nicht einmal Sie, Timothy, obwohl ich Sie gründlich gewarnt habe. Und keiner wollte meine Briefe abdrucken, nicht nach dem ersten, und da die Polizei sie nicht ernst nehmen wollte ... Ich habe es nicht gern getan, das müssen Sie verstehen.«
    Natürlich, all die Briefe waren von ein und demselben Mann geschrieben worden. Die Hand des Gottes von Gotham, der in seinem ersten Brief recht unbeholfen einen ungebildeten Einwanderer nachzuahmen versuchte. Aber alles, was ich noch besaß, war der letzte Brief, das brutal ehrliche Abbild eines zerbrochenen Verstandes. Ich zog die wahnsinnige Tirade, die der Reverend seinem Freund Peter Palsgrave geschickt hatte, aus der Tasche. Wir mussten diesem Gespräch ein Ende machen. Als ich den obszönen Brief auf den Tisch legte, blinzelten mir einzelne Sätze voll Irrsinn zu.
    »Nachdem ich ihn mir genau angesehen hatte, wusste ich, dass Sie ihn geschrieben hatten«, sagte ich. »Sagen Sie mir einfach, wo ich Mercy finden kann.«
    Stille.
    »Sie haben geschrieben: So klein, es ist ein Gräuel . Damit meintenSie Aidan Rafferty. Und das war es auch tatsächlich, schlimmer noch. Aber dass es Sie so zerstört hat ... und dann der ganze Rest. Dr. Palsgrave ist Ihr engster Freund. Machen Sie wieder ganz, was zerbrochen ist. Und genau das tut er ja auch, er holt die Kinder dem Tod von der Schippe, auch wenn Sie gar nicht wissen konnten, dass ... Herr im Himmel, das ist doch nicht möglich! Sie wollten, dass er Sie zwingt aufzuhören, dass er Sie aufhielt, bevor Sie einen Mord begingen. Dieselbe Art von Mord, die Sie bei all den anderen vermutet hatten, doch diesmal sozusagen auf offener Straße. Damit alle es endlich sehen könnten. Und ausgerechnet Pfarrer Sheehy wollten Sie das anhängen.«
    Der Reverend legte wie zum Gebet den Kopf in die Hände.
    »Das konnten nur Sie geschrieben haben. Das war aus der Heiligen Schrift, nicht wahr? ›Ich bin ein gebrochener Kinnbacken‹?«
    »Der Kinnbacken eines Esels. Eine grausame, dunkle, gemeine Waffe. Eine passende Waffe, in die ich mich verwandelte.«
    » Passend ?«, schrie ich außer mir und fuchtelte mit der Pistole herum. »Was soll das heißen? Womit hatte dieses Kind es verdient, dass ...«
    »Wir sind verseucht«, krächzte er. Er stand auf, schlug das Tagebuch zu und ergriff die Kerze. »Sie haben einfach noch nicht lange genug gelebt, um die

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