Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
Dankeschön . An alles und alle, die mir geholfen hatten, ob ich es nun wusste oder nicht, bis hin zu Maddy Sample und ihrem gesunden Liebeshunger.
    Eine halbe Stunde später klopfte ich an die Tür der Underhills.

25
    Ich freue mich aufrichtig zu hören, dass Sie sich immer noch für das Seelenheil der Katholiken einsetzen. Lange Zeit war die Kirche der Ansicht, es sei hoffnungslos, die Juden konvertieren zu wollen, selbst jetzt wird nur selten für sie gebetet. Doch im Hinblick sowohl auf die Juden als auch auf die Römisch-Katholischen darf man sich fragen: »Ist dem Herrn irgendeine Aufgabe zu schwer?«
    Ein Brief, adressiert an:
    Amerikanische Protestanten zur Verteidigung
    der Bürgerlichen und Religiösen Freiheit
    gegen den Vormarsch des Papismus, 1843.
    Keine Antwort. Doch die Tür war nicht abgeschlossen. Also ging ich hinein. Ich nahm mir die Zeit, mich möglichst lautlos zu bewegen.
    Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.
    Als Erstes traf ein Geräusch meine Ohren. Eine spröde Stille, etwas, das gerade unterhalb der Schwelle dessen lag, was ich noch wahrnehmen konnte – als hätte mit meinem Eintritt irgendetwas aufgehört, ein Geräusch zu machen.
    Ich lauschte angestrengt, doch ohne Ergebnis. Also ging ich weiter. Als ich ins Wohnzimmer kam, sah ich die Bücherregale, den grünen Teppich und die Lampenschirme und all das, was zu einem glücklichen Zuhause so dazugehört. Draußen vor dem Fenster hingen rot glänzend die Tomaten. Nicht mehr lange. Denn bald schon würde die Kälte kommen, wie jeder wusste.
    Und doch war hier alles falsch. Es sah genau so aus, wie ich es neulich zurückgelassen hatte.
    Und mit genau so meine ich: ganz genau so. Die Papiere, mit denen der Reverend sich vor unserem letzten Gespräch beschäftigt hatte, lagen immer noch unverändert auf dem Tisch. Obwohl ich zum Umfallen müde war, versuchte ich mich zu erinnern, wann das gewesen war. Vor fünf Tagen? Ich wusste es nicht mehr genau. Daneben standen noch die beiden Sherrygläser. Aus dem einen hatte ich getrunken, aus dem anderen er. Die Sherrygläser und die Stille waren ein Hinweis, dass Anna, das Dienstmädchen, schon lange fort war. Die Papiere sagten mir, dass ich richtig lag. Es tat weh, wenn man so etwas bei einem Menschen bestätigt findet, den man schätzt. Bei jemandem, der einem einst unschätzbare Freundlichkeit erwiesen hat.
    Ich zog die Pistole aus meiner Manteltasche. Sie war bereits mit einer Kugel und Schießpulver geladen. Ich hoffte inständig, mich ihrer nicht bedienen zu müssen. Aber ich war mehr als froh darüber, dass ich sie bei mir trug, denn da war dieser Geruch.
    Was ich zu meiner Begrüßung wahrgenommen hatte, war ein Hauch von Petroleum. Das ist ein höchst beunruhigender Geruch, ganz gleich, wo man ihn wahrnimmt. Vor allem für mich.
    Ich ging hinüber in das private Studierzimmer von Reverend Underhill, und dort fand ich meine Antwort.
    Er hatte ein Seil, das in einer Schlinge endete, über die schlanken Arme des eisernen Deckenleuchters geworfen. Gut festgeknotet. Es hing direkt vor dem Schreibtisch, und darunter auf dem schlichten Webteppich lag ein Haufen Kleider. Alle in blassen Tönen gehalten, als habe man sie nur kurz in Farbe getaucht, sanfte Blau- und Cremetöne, zarte Farben, die man nur draußen im Sonnenlicht richtig erkennen kann. Kleider, Blusen, Strümpfe und Schals, ein ganzer mit Petroleum übergossener Haufen.
    Es waren Mercys Sachen, und ich kannte jedes einzelne Stück.
    Es warf mich völlig aus der Bahn. Ich hatte nicht geplant, als Erstes die Frage zu stellen: Was haben Sie mit Ihrer Tochter gemacht?
    Auf dem Tisch brannte eine Kerze, und dahinter saß der Reverend. Starrte auf die Bühne, die er sich selbst bereitet hatte.
    »Ich dachte mir, dass Sie kommen würden, Timothy«, sagte er flüsternd.
    Ich würde gern sagen, ich hätte noch nie so ein Gesicht gesehen. So verletzt, so unverstellt und so hilflos. Er saß dort nur im Hemd, starrte mit müden blauen Augen in die Kerze, aber er war so abstoßend offen. Alles lag bloß, seine Gedanken, seine Gefühle. Es war nicht richtig, ihn so anzusehen, so wie es auch nicht richtig gewesen war, auf die glänzenden Eingeweide seines einzigen Mordopfers zu starren, das in St. Patrick’s gehangen hatte. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er noch nicht ganz so schlecht ausgesehen, das schmale Gesicht viel zu verkniffen und die Hände wie verloren an den Handgelenken, und ich verfluchte mich selbst, dass ich

Weitere Kostenlose Bücher